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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Achet-Aton verließ. ‹Die Hoffnungen aller, sowohl meiner Anhänger als auch meiner Gegner, ruhen allein auf Tutanchaton.› Das waren seine Worte, Nafteta. Genau das waren die Worte deines Gemahls, bevor wir das Schiff bestiegen.»
    Ich glaubte, meine Tochter würde jetzt die Löwentatzen ihres Thrones abbrechen, so krampfhaft umklammerten ihre zierlichen Hände das vergoldete Ebenholz. Dann begann sie langsam und ruhig zu sprechen.
    «Du scheinst vergessen zu haben, dass Echnaton mich zum Mitregenten erhoben hat, damit ich – ihm ebenbürtig – von Waset aus die Geschicke Ägyptens lenke. Du nimmst für dich in Anspruch, die Worte deines Herrschers wörtlich wiederzugeben. Dann sage mir: Hat er bei meiner Erhebung zum Mitregenten die Dauer meines Amtes mit einem Wort, mit nur einem einzigen Wort, eingeschränkt oder an eine Bedingung geknüpft?»
    «Es sind dies nicht der richtige Ort und nicht der rechte Zeitpunkt, darüber zu befinden», mischte sich Teje jetzt ein, und es war nur ihrem hohen Alter und der Würde ihrer Stellung alsMutter Echnatons zu verdanken, dass Nofretete es hinnahm, nach diesem Einwand die Frage der Thronfolge auf sich beruhen zu lassen.
     
    Teje hatte gut daran getan, die Auseinandersetzung zu beenden. Es hätte nicht geschehen dürfen, dass eine Schicksalsfrage Ägyptens, wie es die Thronfolge nun einmal war, Gegenstand eines im ganzen Volk geführten Streites wurde, denn gewiss würde mancher der Anwesenden die soeben erlebte Auseinandersetzung nach außen tragen. Ich wusste, dass mein Auftreten gegenüber Nofretete vorlaut war, und doch machte ich mir keine Vorwürfe.
    Nofretete musste sich bekennen.
    Sie nahm für sich in Anspruch, rechtmäßige Herrscherin der Beiden Länder zu sein. Es war aber auch ein Gebot der Maat, unserer göttlichen Ordnung, Klarheit über die Zukunft des Prinzen zu schaffen. Nach den uralten Gesetzen unseres Landes war Tutanchaton der rechtmäßige Thronerbe Echnatons. Meine Tochter hätte für sich in Anspruch nehmen können, bis zur Großjährigkeit des Knaben die Regentschaft zu führen, wie es 150   Jahre zuvor Hatschepsut Maat-ka-Re getan hatte. Aus deren Ehe mit Pharao Thutmosis ging eine Tochter, die Prinzessin Nefrure, hervor. Den Thronfolger, der ebenfalls den Namen Thutmosis trug, gebar aber Isis, eine Nebenfrau Pharaos. Hatschepsut hatte die Thronfolge des Königssohnes anerkannt und für ihn die Regentschaft geführt. Doch ihre Machtgier verleitete sie dazu, sich bald zum Pharao krönen zu lassen und den wirklichen Thronfolger über zwanzig Jahre hinweg bis zu ihrem Tod von der Herrschaft fern zu halten.
    Aus Liebe zu meiner Tochter hatte ich Angst davor, dass sie sich von ähnlichem Verlangen nach unumschränkter Herrschaft leiten ließ wie ihre große und mächtige Vorgängerin. Denn eines sollte Nafteta bedenken: Nach dem Tod Hatschepsuts ließ ihr Nachfolger das Andenken an sie auslöschen und gab die so Verfluchte der ewigen Verdammnis preis. Ihr Nachfolger Thutmosiswar der größte Feldherr, den Ägypten seit den Tagen des Alten Reiches erlebt hatte. Er war ein Staatslenker von ungeahnter Weitsicht, und doch war er so kunstsinnig, dass er in Mußestunden Prunkgefäße entwarf. Von Kleinasien und vom Euphrat, vom Bittermeer und den Inseln des nördlichen Meeres, von den Küsten Libyens und aus dem südlichen Kusch gelangten unter seiner Herrschaft Tribute an den Nil.
     
    «Sollen mich diese fraglos leuchtenden Beispiele ägyptischer Geschichte nur beeindrucken, oder willst du mir drohen, Vater?», fragte mich Nofretete, nachdem ich ihr in dem kleinen Maru, einem Aussichtspalast im südlichsten Teil der Stadt, das Schicksal der Hatschepsut vor Augen geführt hatte. Seit einer halben Stunde zogen wir im Inneren des kühlen Raumes unsere Kreise und sahen dabei unentwegt auf die ständig wechselnden Bilder eines der schönsten Fußböden der Stadt. Nafteta hielt inne und zeigte mit der Rechten auf einen Ausschnitt vor sich und sagte: «Sieh doch, diese wundervollen Mohnblumen! Echnaton erzählte mir, dass ihr Schöpfer nicht einmal Entwürfe angefertigt hatte. Er nahm einfach einen Pinsel, tauchte ihn in seine Farben und trug sie ohne jede Vorlage in kühnen Schwüngen auf den Boden auf.»
    «Du hattest mir eine Frage gestellt. Und ich werde dir die Antwort geben: Nie würde ich es wagen, dir zu drohen. Nicht, weil du die Herrscherin bist, sondern weil ein Vater seiner Tochter nicht droht. Das mögen diejenigen tun, die auch ihre Frauen

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