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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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nützt.»
    Ich widersprach ihr nicht. Aber ich wusste, dass ich nicht würde schweigen können. Wer, wenn nicht ich, hatte denn überhaupt die Möglichkeit, mit Nofretete ein offenes Wort zu sprechen? Wir kannten ihre Pläne nicht; sie hatte noch nicht preisgegeben,was sie wirklich vorhatte. Konnte ich da schon jetzt für mich beschließen, nichts für den Thronanspruch Tutanchatons unternehmen zu wollen? Andererseits würde sie in demselben Augenblick, in welchem ich die Stimme für den Knaben erhob, wissen, auf wessen Seite ich stand. Und das war die eigentliche Gefahr für den Knaben. Eine tödliche Gefahr vielleicht.
    «Wird Nofretete in Tutanchaton nicht immer eine Bedrohung sehen, egal, wie lange sie zu herrschen gedenkt?»
    «Ohne jeden Zweifel, Eje. Das Schicksal hat dich und Tutanchaton aneinander gekettet wie zwei Häftlinge im Steinbruch, ganz gleich, wo ihr steht: ob im Licht oder im Schatten.»
    «Es gibt also nur einen einzigen Weg, Tutanchaton einer sorglosen Zukunft entgegengehen zu lassen.»
    «Und der wäre?», hakte Teje sofort neugierig ein. Ich wollte ihr die Antwort nicht geben und ärgerte mich, den Satz überhaupt gesagt zu haben.
    «Wollten wir nicht offen miteinander reden, Bruder?»
    Ich sah in ihre müden Augen und gab mir einen Ruck.
    «Man bräuchte nur zu behaupten, Tutanchaton wäre nicht der Sohn Echnatons.»
    «Bist du wahnsinnig?», zischte sie mir wie eine wütende Kobra entgegen. «Du würdest seine Mutter des Ehebruchs bezichtigen und den Jungen für immer um seinen Thronanspruch bringen, ganz gleich, was geschieht! Und dann finde noch denjenigen, der sich offen zu diesem abscheulichen Ehebruch bekennt. Wie kannst du so etwas überhaupt nur denken?» Teje war zornig.
    «Was ist dir wichtiger: ein Kind, das dann eben nicht mehr dein Enkel ist, das aber gefahrlos und in Wohlstand sein Leben lebt, oder ein Prinz, der wegen seines Thronanspruchs vielleicht noch als Knabe beseitigt wird?»
    Teje hob ihren Stock ein wenig hoch, um ihn gleich umso heftiger in den Boden zurückzustoßen. «Kümmere dich um Tutanchaton so, wie du es meinem Sohn versprochen hast! Du weißt genau, wie du dich gegenüber deiner Tochter zu verhalten hast. Also handle danach!»
     
    Es war alles gesagt. Schweigend erhob ich mich, und schweigend küsste ich sie auf beide Wangen.
    «Es sind nur noch sechzig Tage. Dann ist der Bart wieder ab», sagte ich und wollte mich zum Gehen wenden. Es war mir, als würde sie ein wenig lächeln.
    «Neunundfünfzig», sagte sie. «Es sind noch neunundfünfzig Tage, Eje!»
    Sie konnte einfach nicht anders.
    Ich verließ den Garten meiner Schwester und wusste nicht mehr als eine Stunde zuvor.
    «Kümmere dich um Tutanchaton!»
    Das brauchte sie mir nicht zu sagen. Aneinander gekettet, ja, das waren der Knabe und ich zweifellos. Und wenn er doch mein Sohn wäre? Wer durfte mir meinen Anspruch auf die Vaterschaft über dieses Kind verwehren? Die Schande? War es wirklich nur die Schande, die ich damit über Echnaton und über Kija gebracht hätte und die mir das verbot?
    Und der Junge selbst? Wäre Schande über ihn gekommen, wenn ich die Vaterschaft beansprucht und öffentlich gemacht hätte? In Achet-Aton wohl ja. Alle kannten ihn als Prinz und als den Thronfolger. Einen Bastard hätte man ihn geschimpft. Er hätte überall an Ansehen verloren, selbst als Kind des Gottesvaters Eje. Wir hätten wegziehen müssen. Nicht nach Waset, denn dort wäre es für ihn sogar noch schlimmer gewesen. Nach Achmim zu meinen Verwandten? Aber hätte man uns dort nicht auch mit Häme empfangen? «Der einst so mächtige Eje verkriecht sich mit seinem Sohn in Achmim!», hätte es geheißen. «Wie tief gefallen ist der Gottesvater!», hätten sie gesagt.
    Warum nur hatte ich mich so sehr nach einem Sohn gesehnt?
    Oder war es das in Wirklichkeit gar nicht? Brauchte ich etwa das Kind – gerade dieses Kind Tutanchaton – nur als Bestätigung dafür, dass Kija doch eine Nacht mit mir verbracht, sie sich mir hingegeben hatte? Konnte und wollte ich es nur nicht ertragen, dass von all den Frauen, die ich begehrte, nur sie esgewesen sein könnte, die meinem Drängen nach Liebe nicht nachgegeben hatte?
    Wohl zum hundertsten Mal seit jener Zeit, in der ich mich so sehr nach Kija gesehnt hatte, sprach ich die Worte des Magiers leise vor mich hin: «Die Wahrheit wirst du nie erfahren!»
     
    Die Zeit bis zur Bestattung Echnatons war für mich bedrückend. Für die einfachen Menschen ging das Leben freilich

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