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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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nicht auf die Probe! Wollen deine Freunde und du die Verantwortung dafür übernehmen, dass die Beiden Länder getrennte Wege gehen? Wohl kaum!»
     
    Ich war entsetzt. Auch wenn ich in Wahnvorstellungen oder in schlimmen Träumen nach der Krone gegriffen hatte, nie würde ich es je gewagt haben, für mich oder meine Tochter, sosehr ich sie auch liebte, die Krone der Beiden Länder zu beanspruchen. Nafteta würde alle gegen sich aufbringen, alle, außer die von ihr Bevorzugten oder Bezahlten. Ich wusste um die Macht und die Gefährlichkeit der Priesterschaft. Ich wusste, welche Macht Haremhab mit der Armee in Händen hielt, und ich wusste um die Angst der Menschen vor einer Spaltung der Beiden Länder und vor einer Fremdherrschaft. Aber ich wusste ebenso gut, dass es meiner Tochter ernst war.
    Was sie plante, war in der zweitausendjährigen Geschichte Ägyptens ohne Beispiel. Hatschepsut Maat-ka-Re ließ den Thronfolger Thutmosis wenigstens zum Herrscher ernennen, obgleich sie ihn viele Jahre unrechtmäßig von der Machtausübung fern hielt. Nofretete wollte Tutanchaton nicht nur für immer von der Thronfolge ausschließen; sie wollte festgeschrieben wissen, dass – gleich, ob Tutanchaton noch lebte oder nicht – nach ihrem Tod eine ihrer Töchter die Nachfolge antrat. In welches Unheil würde sie Ägypten damit stürzen! Aufruhr, Krieg, Not und Elend würden über das Land kommen und alles vernichten, was Generationen ruhmreicher Pharaonen, was Helden, Gelehrte und Baumeister geschaffen hatten.
    «Du könntest mich hier im Maru umbringen, wenn dumeinst, Ägypten vor dem Abgrund retten zu müssen», sagte Nafteta in fast spöttischem Ton zu mir. «Es ist vielleicht deine letzte Gelegenheit.»
    Meinem Entsetzen gesellte sich die Trauer um die verlorene Tochter hinzu, gepaart mit Abscheu vor ihrer Überheblichkeit.
    «Was bestimmst du, dass ich tun soll?», fragte ich sie leise und beinahe demütig.
    Sie sah mich erst erstaunt an, als hätte sie die Frage nicht begriffen. Dann sagte sie: «Ich erwarte von dir, dass du deinen künftigen Herrschern ebenso treu ergeben bist, wie du es auch in der Vergangenheit warst.»
    «Was wird mit Tutanchaton geschehen?»
    «Solange ich lebe, wird er diese Stadt nicht verlassen. Jeder Verstoß gegen diesen Befehl bedeutet sein sicheres Ende. Wie meine Nachfolger mit ihm verfahren werden, soll nicht mehr meine Sorge sein.» Ihr Gesichtsausdruck war jetzt an Härte nicht zu übertreffen.
    «Tutanchaton und ich werden also bis ans Ende unserer Tage Gefangene in dieser Stadt sein.»
    «Du kannst dich frei bewegen, wie du willst. Gehe nach Waset oder nach Men-nefer. Nach Merwer oder nach Abu. Aber der Bastard bleibt hier.»
    «Hier in dieser Stadt wird ihm nichts geschehen? Es wird ihm kein Leid zugefügt?», fragte ich zögerlich.
    Nofretete sah mich an, und ihre Blicke verrieten Mitleid und Verachtung zugleich. Sie schüttelte leicht den Kopf. «Mein Wort darauf!»
    Dann verließ sie grußlos den Maru.
     
    «Aber der Bastard bleibt hier.»
    Das waren ihre Worte. Wie tief haben mich diese beleidigenden Worte verletzt! Nafteta wusste nur zu gut, dass ich den Knaben nicht einen Augenblick aus den Augen lassen würde.
    Seit jenem Tag war meine Tochter für mich verloren. Für immer. Ich war froh, dass meine erste Frau Merit, ihre Mutter,nicht mehr lebte. Oder konnte Nafteta nur deswegen so werden, weil Merit nicht mehr lebte?
    Ich wusste es nicht.
    Das weite Tal von Achet-Aton würde jetzt für immer mein Zuhause sein; schlimmer noch: mein Gefängnis oder gar mein Grab. Lebendig begraben! Was nützten mir die Paläste, die Tempel und die Gärten, was nützten Scharen von Dienern und jeder vorstellbare Reichtum, wo ich nun wusste, dass hinter den Mauern dieser Stadt die Welt, dass für mich da das Leben zu Ende war?
     
    Ich ging meiner Tochter in den folgenden Tagen, so gut ich konnte, aus dem Weg, aber ich versteckte mich auch nicht vor ihr. Ich zählte nach wie vor zu denjenigen, die Tag für Tag im Palast vor der Königin erschienen, um ihr zu huldigen, Ratschläge zu erteilen und um ihre Befehle zu empfangen. Ich gab mir dabei stets Mühe, jenes unselige, wenn auch offene Gespräch mit meiner Tochter zu vergessen, um in allem, was ich sagte, aufrichtig und ehrlich zu sein. Es hätte keinen Sinn gehabt, sie wissentlich falsch zu beraten, denn ich kannte meine Tochter gut genug und wusste um ihren scharfen Verstand. Der Versuch, sie in eine Falle zu locken, wäre nur auf mich

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