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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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erschrak ich dann vor mir selbst, dass ich meiner eigenen Tochter dieses Verbrechen zutraute. Aber selbst wenn ich während der nächsten zehn oder gar fünfzehn Jahre Tutanchatons Beschützer und Begleiter sein durfte: Was erwartete ihn als Erwachsener? Wirklich eine lebenslange Gefangenschaft in dieserStadt – als Priester vielleicht? Oder sollte er bis ans Ende seiner Tage als Prinz in einem der Paläste Hof halten, ohne auch nur im Mindesten in irgendeiner Art seinem Land und Volk nützlich zu sein?
    «Wahnsinnig würde er werden und sich den Turm hinabstürzen wie sein Vater», sagte ich mir, und ein Schauder lief mir über den Rücken. Selbstmord! Hört man die Menschen nicht manchmal sagen, das läge in der Familie? «Das musste ja so kommen», würden boshafte Stimmen dann sagen, «denn sein Vater hatte sich ja auch schon das Leben genommen!»
    «Du musst jetzt schlafen, Tutanchaton», sagte ich zu ihm und streichelte über seinen Kopf. «Morgen ist ein schwerer Tag für dich und für uns alle. Wir müssen noch vor Sonnenaufgang im Gempa-Aton sein.»
    Große schwarze Augen sahen mich ängstlich an.
    «Wird Nofretete morgen auch dabei sein?», fragte er mich mit leiser und ängstlicher Stimme.
    «Ja. Sie wird auch da sein. Du musst aber keine Angst haben. Ich werde bei dir sein. Jetzt schlafe!»

VIER
    Die Finsternis ist ein Grab,
    die Erde liegt erstarrt,
    ist doch ihr Schöpfer untergegangen
    in seinem Grab.
     
    E rst einen Tag vor Echnatons Beisetzung und nach zähem Ringen erhielt ich von Nofretete die Erlaubnis, dass Tutanchaton bis zu ihrer Abreise an allen offiziellen Auftritten und somit auch an der Bestattung seines Vaters teilnehmen durfte. Erst als ich ihr wiederholt vor Augen gehalten hatte, dass ein Ausschluss des Prinzen von allen öffentlichen Auftritten im Volk mehr Fragen aufwerfen und für mehr Unruhe sorgen würde als seine Anwesenheit, stimmte sie widerwillig und notgedrungen zu. Ich maß der Anwesenheit des Prinzen große Bedeutung bei. Gewiss hätte man sein Fehlen mit einer Krankheit oder damit entschuldigen können, dass ein Kind seines Alters besser zu Hause blieb, als dass es die Anstrengung und die Aufregung einer Beisetzung auf sich nahm. Ich aber wollte für jedermann sichtbar machen, dass sich der einzige männliche Erbe Echnatons vom Sarg seines Vaters nicht fern halten ließ, selbst wenn es jetzt Nofretete war, die Geißel und Krummstab in Händen hielt. Nach meiner Vorstellung sollte Tutanchaton durch möglichst zahlreiche Auftritte im Bewusstsein der Menschen als der künftige Pharao verankert bleiben, gleich, wann oder ob er überhaupt den Thron Ägyptens besteigen würde.
    Ich sorgte aber auch dafür, dass das Auftreten des Prinzen stets ein unauffälliges blieb: Er trug keine übertrieben gefältelten Schurze, wie es bei den Großen des Landes jetzt die Mode war, sondern den einfachen, glatten Schurz der Bauern und Arbeiter. Ich ließ ihn die kostbaren Ohrgehänge, die goldenen Armreife und Fingerringe abnehmen. Er ging barfuss oder trug nur einfache Ledersandalen, und der Schulterkragen bestand nur aus Blütenblättern und nicht aus Gold und Edelsteinen. Das derart bescheidene Auftreten meines Schützlings sollte bei allen, die ihn so sahen, Mitleid erregen, wobei ich es hinnahm, dass dadurch gleichzeitig die Abneigung gegenüber meiner Tochter, die man dafür verantwortlich machen würde, wuchs. So bedingungslos hatte ich mich auf die Seite Tutanchatons geschlagen!
     
    Im Dunkel der Nacht, lange vor Anbruch der Morgendämmerung, verließ ich mit Prinz Tutanchaton, begleitet von zehn Soldaten und von meinem Gefolge, mein Haus.
    Je näher wir dem Stadtpalast kamen, desto dichter wurde das Gedränge auf den Straßen und Plätzen Achet-Atons, denn jeder wollte sich einen Platz sichern, von wo aus er den Leichenzug sehen konnte. Während mein Gefolge vor dem Palast zurückbleiben musste, geleiteten die Soldaten Tutanchaton und mich in sein Inneres. Zahllose Beamte, Priester, Soldaten und Diener verbreiteten dort eine lästige und geradezu unwürdige Unruhe, und das aufgeregte Spiel ihrer Schatten, die zwischen den Fackeln umhersprangen, verstärkte diese Unruhe noch um ein Vielfaches. Mehr als je zuvor füllte schon jetzt der schwere Duft des Weihrauchs, den die Priester wohl während der gesamten Nacht am Sarg Echnatons verbrannt hatten, den Palast.
    Teje saß bereits im Audienzsaal, als fast gemeinsam mit uns auch Acha, Aper-el, Panehsi, Mahu und Echnatons

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