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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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alte, kalte Hand festhielt und meiner Schwester ein wenig von der Wärme gab, die ihr, abgesehen von den ersten Ehejahren vielleicht, auch von ihrem Gemahl Amenophis versagt geblieben war.
    «Gibt es neue Nachrichten aus Mitanni oder aus Babylon?», fragte sie mich nach langem Schweigen, und der Inhalt ihrer Frage überraschte mich so sehr, dass ich mit einer Gegenfrage antwortete: «Wie kommst du jetzt auf Mitanni und Babylon?»
    «Du meinst also, wenn ich mich auf das Sterben vorbereite, geht mich das Schicksal unserer einstigen Verbündeten nichts mehr an? Es ist noch nicht so weit, Eje! Noch lebe ich!»
    Hätte ich nicht gewusst, wie schlecht es um Teje stand, hätte ich nach dieser Antwort gegenüber ihren Ärzten ernsthafte Zweifel an jedweder Krankheit geäußert. Aber weil sie über so viele Jahre hinweg die treibende Kraft gewesen war, wenn es darum ging, die Freundschaft zu Mitanni und Babylon zu pflegen, musste ich ihre Sorge umso mehr ernst nehmen.
    «Es sind keine guten Nachrichten, die uns in den letzten Tagen erreicht haben. Vor allem die Lage Tuschrattas ist beängstigend. Wenn nicht bald Hilfe kommt, wird er aus Waschukkanni fliehen müssen. Und Burra-Buriyash ist aus Angst vor der Rache der Hethiter nicht bereit, Tuschratta Truppen zu schicken.»
    «Und die Fürsten in den Küstenstädten? Was ist mit ihnen?», erkundigte sich Teje weiter.
    «Es sind nicht mehr viele.»
    Ich schwieg für einen Augenblick und sah verlegen zu Boden, denn ich hatte gelogen. Ich musste es wieder gutmachen, denn mit einer Lüge wollte ich nicht von meiner Schwester Abschied nehmen.
    «Es stimmt nicht, was ich dir gesagt habe. Einige von ihnen gibt es bereits nicht mehr. Zimrida von Sidon ist ebenso besiegt wie Rib-Addi von Tyros. Und Ammunira von Berut steht kurz vor dem Fall. Das ist die Wahrheit!»
    Ich kannte Teje jetzt schon so lange, und selten nur zeigte sieTrauergefühle. «Wer Trauer zeigt», sagte sie einmal zu mir, «der zeigt auch Schwäche.»
    Selbst wenn ihr Amenophis manchmal großes Unrecht zugefügt hatte, indem er sie tagelang nicht beachtete und seinen Nebenfrauen Zärtlichkeit und Zuneigung entgegenbrachte, die ihnen wahrhaft nicht zustanden, blieb Teje äußerlich ungerührt wie ein Stein. Aber jetzt, als sie vom Ende unserer Verbündeten erfuhr, bekam sie feuchte Augen, und ein paar Tränen rannen über die zerfurchte Haut ihrer eingefallenen Wangen.
    «Es hätte nie so weit kommen dürfen, Eje», schluchzte sie, und erst jetzt drehte sie unter Anstrengung ihren Kopf etwas zur Seite, damit sie mich ansehen konnte. Ich hielt ihre kalte Hand noch fester, und ich glaubte jetzt, ein wenig Wärme, die durch ihre Erregung zurückgekehrt war, zu fühlen.
    «Du musst etwas unternehmen! Hörst du, Eje! Die Schande, die über unser Land kommt, wenn auch Waschukkanni fällt, wäre durch nichts zu überbieten!»
    «Kannst du mir sagen, an wen ich mich wenden soll? Kannst du mir sagen, wer auf mich hört? Diejenige, die es angeht, jedenfalls mit Sicherheit nicht!»
    Tejes Atem ging jetzt so schwer, dass ich fürchtete, es würde jeden Augenblick mit ihr zu Ende gehen. Ihre Augen, die von den immer so tief hängenden Lidern fast verschlossen wurden, waren jetzt weit geöffnet und starrten mich entsetzt und Hilfe suchend zugleich an.
    «Du musst zu ihr gehen! Du wärst es auch gewesen, der mit Echnaton geredet hätte, und du hättest auch ihn überzeugt!»
    Teje wusste nur zu gut, dass das nicht stimmte. Wie beharrlich hatte sich Echnaton allen Forderungen, seine Stadt zu verlassen, widersetzt! Auch er hätte es niemals zugelassen, dass ägyptische Soldaten die Grenzen überschritten. Aber konnte ich ihr jetzt widersprechen? Durfte ich ihr den letzten Wunsch, durfte ich den letzten Befehl der sterbenden Königin verweigern?
    Ich beugte mich zu ihr hinüber, küsste ihre Wange und sagte: «Ich werde zu ihr gehen.»
    «Versprich es mir, Eje! Versprich mir, dass du zu ihr gehen wirst, sobald du an mir deine Pflicht erfüllt hast!» Ich nickte stumm.
    «Ist der Junge bei dir?», fragte sie mich jetzt, und ich war erstaunt, wie verändert sie plötzlich war. Ihr Antlitz wirkte heller und freundlicher, nur weil ihre Gedanken auf Tutanchaton gerichtet waren.
    «Willst du ihn sehen?»
    «Hätte ich sonst nach ihm gefragt?»
    Ich trat vor die Tür und rief nach Nassib. Der Junge wusste, dass dies wohl der letzte Besuch bei seiner Großmutter war. Er liebte Teje sehr, und weil er in seinem kurzen Leben durch den Tod schon so

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