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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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laut hatte ich noch nie Angstschreie des Jungen gehört.
    Dem Schilf der Insel vorgelagert, breitete sich nach Westen eine Sandbank aus. Auf ihr erkannte ich jetzt Nassib und den um zwei Jahre älteren Abu. Aber sie waren nicht allein: Vier Krokodile schoben sich langsam aus dem Wasser auf die Sandbank. Eines hatte seinen Rachen weit aufgerissen, und jetzt, da es schon in ganzer Länge das Wasser verlassen hatte, sah ich, dass es mindestens acht Ellen lang war. Ihren Körper bei jedem der vorsichtigen Schritte seitlich hin und her biegend, folgten ihm die anderen Tiere und zogen langsam ihren Opfern entgegen.
    Abu stellte sich schützend vor den noch immer schreienden Tutanchaton und fuchtelte mit einem Stück Treibholz vor seinem Körper hin und her. So versuchte er die immer näher rückenden Ungeheuer sich und seinem Freund vom Leibe zu halten. Wir waren noch viel zu weit von der Sandbank entfernt, um auch nur irgendwie helfend eingreifen zu können, und erst jetzt stellte ich mit Entsetzen fest, dass sich auf unserem Boot weder ein Speer noch Pfeil und Bogen, und schon gar keine Harpune, befanden.
    Unaufhaltsam näherte sich das erste Krokodil mit weit aufgerissenem Maul den Kindern. Es machte die ersten, hastigen Sätze nach vorn, um nach seinem Opfer zu schnappen, und Abu gelang es sogar, zwei-, dreimal auf den Rachen des Krokodils einzuschlagen, was das Tier in seinen Angriffen nur noch wütender machte. Ipu griff in seiner Verzweiflung nach dem Netz, das vor ihm im Boot lag, um es, sobald wir das Ufer erreicht hätten, über das Krokodil zu werfen. Da machte das Untier einen letzten, mächtigen Satz nach vorn, schnappte nach Abu, erfasste ihn am Fuß und riss ihn mit wildem Kopfschütteln zu Boden. Sogleich stürzten sich auch zwei andere Krokodile aufden Jungen, um ihrem Konkurrenten die Beute zu entreißen. Unter entsetzlichen Schreien wurde Abu von den drei Tieren ins Wasser gezogen und ertränkt, bevor sie sich um die bald leblose Beute stritten und das Blut des Jungen das Wasser für einen kurzen Augenblick rot färbte.
    Der Anblick dieses Grauens hatte Nassib verstummen lassen. Regungslos stand er jetzt allein auf der Sandbank, nur noch den von Abu zurückgelassenen Stock zwischen sich und dem verbliebenen Krokodil, und starrte in die Augen des Tiers.
    «Bewege dich nicht!», rief Menna dem Jungen entgegen.
    «Mach keine Bewegung!», wiederholte ich, während Ipu schon auf dem Rand unseres Bootes stand, das Netz wurfbereit in den Händen.
    «Ich steuere auf das Krokodil zu», sagte der Fischer jetzt leise. «Haltet Euch fest, mein Herr, damit es Euch nicht mit seinem Schwanz ins Wasser schleudert.» Kaum dass er das gesagt hatte, rammte der Bug unseres kleinen Bootes den Körper des mächtigen Tieres, das sogleich seinen Kopf erschrocken nach hinten warf und seinen Rachen wild fauchend aufriss, um uns anzugreifen. Da warf Ipu das Netz über den riesigen Schädel des Tieres, verdrehte es zweimal und versuchte so, das Tier in der Nähe des Bootes zu halten und es daran zu hindern, doch noch Tutanchaton anzugreifen. Währenddessen sprang ich an Land, lief auf den noch immer starr dastehenden Nassib zu, hob ihn hoch und nahm ihn in meine Arme.
    «Weg von hier!», sagte ich zu ihm, und während Ipu noch immer mit dem Krokodil kämpfte, lief ich mit dem Jungen die wenigen Schritte zu dem leeren Boot der Kinder, setzte ihn hinein, schob das Boot ins Wasser und sprang schließlich selbst hinein.
    Jetzt ließ auch Ipu von seinem Netz ab, und sogleich tauchte das wütende Krokodil unter wilden Schlägen seines Schwanzes in das trübe Wasser.
    Nassib zitterte noch immer vor Angst am ganzen Leib und starrte entsetzt auf die Stelle, wo sein Freund von den Krokodilenins Wasser gezerrt worden war. Ich musste ihm nicht erklären, was mit Abu geschehen war. Nassib wusste nur zu genau, dass er seinen Freund nie mehr wieder sehen würde.
    «Bindet das Seil am Bug fest!», rief mir Menna zu und warf ein Seil, das ich festband, auf mein Boot. So wurde mein Boot in den Hafen zurückgeschleppt, und ich nutzte die Zeit, um mich ganz um Tutanchaton zu kümmern. Ich hielt ihn fest in meinen Armen und streichelte ihm unaufhörlich übers verschwitzte Haar.
    «Mir hat einmal ein alter Priester, er hieß Sobekhotep, erzählt», sagte ich leise, «dass derjenige als geheiligt und gerechtfertigt gilt, der diesen Tieren zum Opfer fällt. Mehr Trost kann ich dir leider nicht spenden, Nassib.»
    «Das musst du auch nicht», flüsterte

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