Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
schneller werdend gegen ihre Schilde zu schlagen, um so ihrem künftigen Herrscher und obersten Heerführer zu huldigen.
Währenddessen schob sich in weiter Ferne die Sonnenscheibe mehr und mehr über den unendlich weiten Horizont der Wüste, und es war mir, als wollte Aton selbst seinen königlichen Sohn begrüßen und ihn mit dem Glanz seines Lichts über alle Wesen dieser Welt erheben.
Ich stieg den Felsen einige Schritte hinab, denn die ersten Strahlen dieses Tages gebührten allein dem Sohn des Sonnengottes, der den verheißungsvollen Namen «Lebendiges Abbild des Aton» trug.
Wie viel Leid musste erst geschehen, wie viel Ungerechtigkeit musste erst über das Kind, über mich und über ganz Ägypten kommen, bis Tutanchaton für sich in Anspruch nehmen konnte, was ihm allein gebührte: die Doppelkrone der Beiden Länder.
Obwohl Tutanchaton im Königspalast von Achet-Aton aufgewachsen war, obwohl er, wenn auch als kleines Kind nur, erlebt hatte, welche Verehrung seinem Vater als dem Herrscher Ägyptens entgegengebracht wurde, so musste er sich dennoch erst daran gewöhnen, von nun an wie ein gottgleiches Wesen und nicht mehr wie ein Schuljunge, wenn auch aus höchstem Hause, behandelt zu werden. So kam es mir gelegen, dass wir einen mehrtägigen Marsch bis Merwer und an den Nil und von dort eine längere Schiffsfahrt bis Achet-Aton vor uns hatten, denn die Soldaten würden unbedachte Fehltritte des kleinenHerrschers viel weniger bemerken als die sittenstrengen Augen all der Würdenträger bei Hofe.
«Wie hast du es fertig gebracht, dass dir Paheri verriet, in welche Richtung wir gezogen sind?», fragte ich Paramessu, der gemeinsam mit mir neben der Sänfte, die Tutanchaton trug, ging.
«Es war nicht einfach. Er wollte mir nicht glauben, dass es der General war, der mich geschickt hatte, und nicht diese …»
Er stockte und sah mich entsetzt an, denn ihm war bewusst, dass ich mir denken konnte, was er zu sagen gerade noch unterließ.
«Wahnsinnige?», fragte ich ihn leise und dennoch herausfordernd.
«Nein, Paramessu. Sie war keine Wahnsinnige. Ich habe viel darüber nachgedacht. Sie war verblendet. Ja, verblendet war sie von all der Macht, die sie nicht loslassen wollte, aus Angst, sie könnte neben einem Kind, das sie auch noch verabscheute, verblassen und in der Bedeutungslosigkeit versinken.»
Es ging Paramessu wirklich nichts an, wie ich über meine Tochter dachte, und deswegen bat ich ihn, mir von Paheri zu erzählen.
Paramessu berichtete, dass Haremhab zehn Suchtrupps in Kompaniestärke gebildet hatte, die er in alle Richtungen losschickte. Weil er von meinem Vetter Baki erfahren hatte, dass ich nach Nubien fliehen wollte, entsandte er allein dorthin vier Kompanien. Zwei andere durchstreiften das Land links des Nils, zwei das Land auf dessen rechter Seite. Drei andere waren im Delta unterwegs, zwei im Bereich der syrischen Grenze, und er, Paramessu, hatte den Befehl erhalten, nach Merwer zu gehen, um dort nach uns zu suchen.
«Unserer Kompanie machte der General die geringsten Hoffnungen. Er sagte, wenn Ihr so tollkühn wäret, um im Fajum Unterschlupf zu suchen, könntet Ihr gleich Euren Palast in Waset beziehen.»
Ich hatte Paramessu längst nicht mehr zugehört, denn ichüberlegte wieder und wieder, welches Schicksal meine Tochter und ihre Kinder erlitten hatten. Obwohl mich die Gedanken daran abstießen, stellte ich mir vor, dass sie nachts erwürgt oder vergiftet oder einfach nur totgeschlagen worden waren. Wie konnte fast die ganze Familie ein so schreckliches Ende nehmen, sie, die so friedfertig waren, die nichts so verabscheuten wie Gewalt? Erst starb Maketaton durch einen Schlangenbiss, dann stürzte sich Echnaton in den Tod und zuletzt dieses Morden! Wie schön und wie sanftmütig war sie einst gewesen, meine Nafteta! Und jetzt lag sie mit vielleicht zertrümmertem Schädel bei einem der Balsamierer unter einem Berg von Natronsalz, bis ihrem Körper alle Flüssigkeit entzogen war und das, was von ihr übrig blieb, aussah wie all die anderen ausgemergelten und ledernen Mumien.
«Nicht meine Nafteta!», schluchzte ich in mich hinein, und schnell und unauffällig wischte ich mir eine Träne aus dem Gesicht, bevor sie über meine Wange hinabrollen und von Paramessu bemerkt werden konnte.
«Weißt du, was mit Anchesen-paaton geschehen ist?», unterbrach ich Paramessu mitten in dessen Erzählung. Er sah mich verwundert an, denn er erkannte keinen Zusammenhang zwischen meiner Frage
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