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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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sorgt sich höchstens um sich selbst. Weil er nämlich nicht weiß, wie er Pastor Krupka mein Verschwinden erklären soll, wenn er das nächste Mal an ihn schreibt, um Almosen von den Kohlstraßern zu erbetteln.«
    Als der Eselskarren der Missionsstation auf den Platz vor den Mattenhütten fuhr, begann mein Herz schneller zu schlagen. Ich ärgerte mich über mich selbst, weil dieses Herzklopfen so unpassend und lächerlich war. Aber es half natürlich nichts. Man kann sein eigenes Herz ja nicht zügeln, wie Petrus seinen Esel zügelte. Es war, wie es war: Petrus’ kurze Stippvisiten waren die Höhepunkte meines derzeitigen Lebens. Ich wusste nie genau, wann er kommen würde, aber sobald die Kinder aufsprangen und seinen Namen riefen, musste ich mich richtiggehend zusammenreißen, dass ich ihm nicht ebenfalls jubelnd entgegenrannte.
    Die Kinder drängten sich um den Karren und reckten Petrus ihre kleinen braunen Hände entgegen. Ich stellte mich betont gleichgültig neben ein paar Frauen, als hätte ich mit der ganzen Angelegenheit nichts zu schaffen. Dabei kam Petrus nur meinetwegen zu Besuch. Dieser Gedanke ließ mein Herz noch schneller schlagen. Als er vom Wagen sprang und zu mir herüberkam, galoppierte es richtiggehend. Neben mir standen zwei Nama-Mädchen und kicherten.
    »Schau, wie verliebt sie ist«, flüsterten sie einander zu.
    Unsinn, dachte ich. Ihr habt ja keine Ahnung. Mein Verlobter heißt Bertram und sieht aus wie ein griechischer Gott mit abstehenden Ohren. Warum sollte ich mich auf einen Hottentotten einlassen?
    Das war natürlich nicht wahr, das weiß ich heute und im Grunde meines Herzens wusste ich es damals auch schon. Die Verlobung mit Bertram war beendet, seit ich aus Bethanien geflohen war. Vielleicht war sie auch schon viel früher zu Ende gegangen. Als meine Mutter gestorben war. Als die Gertrud Woermann im Hamburger Hafen den Anker gelichtet hatte. Jedenfalls würde Bertram niemals nach Afrika kommen und unser Haus am Meer, der kleine Garten mit deutschem Gemüse und Blumen, die Ziegen und Hühner und die kleine Schule, in der ich Negerkinder unterrichtete  – all das würde ein Traum bleiben. Aber ich will meiner eigenen Geschichte nicht vorgreifen. Alles immer hübsch der Reihe nach, ist Fräulein Hülshoffs Motto, das ich dieser Erzählung vorangestellt habe. Und hübsch der Reihe nach soll mein Bericht auch weitergehen.
     
    Petrus hatte sich einen Weg durch die Menge der lärmenden, hüpfenden Kinder gebahnt. Jetzt stand er vor mir. Seine schmalen Indianeraugen wanderten über mein Gesicht. Wahrscheinlich wollte er sehen, ob ich mich verändert hatte. Hatte ich mich verändert?
    Petrus selbst sah jedenfalls ganz anders aus als auf der Missionsstation. Bevor er in sein Dorf fuhr, legte er die lächerliche Clowns-Verkleidung ab, die er in Bethanien immer trug, und zog ganz normale Männerkleidung an.
    »Komm, wir gehen zum Fluss«, sagte er. Er ging zwischen den Hütten durch hinunter zum Konkiep und ich folgte ihm. Der Fluss war fast ausgetrocknet, nur in der Mitte des Bettes rieselte ein dünnes, braunes Rinnsal. Die aufgesprungene Erde darum herum sah aus wie die Haut eines alten Weibes.
    »Wie geht es dir?«, fragte Petrus.
    »Hervorragend.«
    Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Er glaubte mir nicht. Es stimmte ja auch nicht. »Behandeln meine Schwestern und meine Mutter dich gut?«
    »Sicher.«
    Sie gaben mir zu Essen, seine Schwestern nahmen mich in ihrer Hütte auf, obwohl es auch so schon eng genug war. Aber sie beachteten mich einfach genauso wenig wie die anderen Dorfbewohner. Die kleinen Kinder kicherten und flüsterten, wenn ich an ihnen vorüberging, manchmal versuchten sie sogar, meine Haare zu berühren. Die größeren Mädchen tuschelten zumindest. Aber Petrus’ Schwestern, seine Mutter und die übrigen Erwachsenen ignorierten mich vollkommen. Sie klickten, schnalzten, erzählten, lachten, als wäre ich gar nicht da. Ich war für sie, was Fräulein Hülshoff in Bethanien für Freudenreich gewesen war. Luft.
    »Ich habe Maria gesagt, dass sie dir helfen soll«, sagte Petrus. »Tut sie das?«
    »Gewiss«, nickte ich. Dabei hatte ich keine Ahnung, welche der vier Schwestern Maria war.
    Petrus hatte mir erzählt, dass alle seine Geschwister neben ihren afrikanischen auch christliche Vornamen trugen. Martha, Hannah, Maria und Rabea hießen seine Schwestern, aber keine reagierte auf ihren Namen. Vielleicht hatten sie längst vergessen, dass sie einmal so getauft

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