Im Land des weiten Himmels
sein Frühstück gebracht hatte. Sie setzte sich ihm gegenüber. »Noch Kaffee?«
»Gern.«
»Sie haben das mit dem Kredit und der Bürgschaft von Eranie Waechter wunderbar eingefädelt. Ohne Sie hätte ich längst aufgeben müssen.«
»Nicht der Rede wert, Missy. Würden Sie mir wohl einen Gefallen tun, Missy? Ich hab unterwegs viel Zeit verloren und muss dringend zurück. Würden Sie Chief Alex ein Päckchen bringen?«
»Sie haben ein Päckchen für den Häuptling?«
Der Postreiter kaute genüsslich. »Von Sears & Roebuck, dem Versandhaus. Er schenkt mir manchmal ein Biberfell, letztes Jahr sogar einen Nerz. Dafür darf er sich was im Katalog aussuchen. Spielzeug für seine Enkelin.«
»Mache ich«, versprach sie. »Und ich? Hab ich keine Post?«
Hyman schob sich den letzten Bissen in den Mund, kaute in aller Ruhe, spülte mit Kaffee nach und wischte sich den Mund ab. »Kommen Sie mit!«
Er ging zu einem seiner Packtiere, öffnete eine Satteltasche und kramte ein Päckchen hervor. »Für die kleine Dorothy … ein Teddybär. Und hier …« Er zog lächelnd zwei Zeitungen aus der Tasche. »Der News-Miner und die New York Times . Die Times ist schon etwas älter.« Er machte es spannend, verschloss die Tasche, öffnete sie wieder und sagte: »Ah, das hätte ich beinahe vergessen … Ich hab ja doch noch einen Brief für sie. Von einer Clara in New York.«
Sie riss ihm den Umschlag aus der Hand und betrachtete ihn erfreut. »Clara … Meine beste Freundin in New York. Die mit dem Millionär verheiratet ist.«
»Na, das nenn ich Glück.«
»Ihm gehört ein Verlagshaus. Damit kann man viel Geld machen an der Ostküste. Aber was nützt das, wenn man ständig in New York leben muss?«
»Sie beneiden sie nicht?«
»Kein bisschen.«
Sie verabschiedete sich von dem Postreiter, der bereits seine Maultiere losgebunden hatte und in den Sattel gestiegen war, und wartete, bis er zwischen den Bäumen verschwunden war. Sie winkte ihm ein letztes Mal zu, brachte das Päckchen und die Zeitungen ins Haus und kehrte mit dem Brief auf die Veranda zurück. Dort war das Licht heller. Sie setzte sich in den Schaukelstuhl und öffnete den Brief.
»Liebe Hannah«, las sie, jede Silbe auskostend, sich selbst laut vor, »noch habe ich keine Post von Dir bekommen, aber ich nehme an, Du bist gut in Alaska angekommen und hast mir bereits geschrieben. Hoffentlich hast Du das Paradies gefunden, von dem Du geschwärmt hast, wenn wir zusammen auf dem Dach saßen. Geht es Dir gut bei Deinem Onkel? Ich wusste seine Adresse nicht, konnte mich aber daran erinnern, dass er ungefähr sechzig Meilen nördlich von Fairbanks wohnt. Das habe ich auf den Umschlag geschrieben. Ich hoffe, der Brief erreicht Dich dennoch.« Sie betrachtete den Umschlag: »Miss Hannah Stocker, bei Mr Leopold Stocker, sechzig Meilen nördlich von Fairbanks, Alaska Territory.« Amüsiert las sie weiter: »Ich musste Dir heute einfach schreiben, Hannah, denn gestern habe ich geheiratet! Unglaublich, nicht wahr? Aber so ist es tatsächlich. Ich habe John Meredith Walker den Dritten geheiratet, den Verleger, von dem ich Dir erzählt habe. Vielleicht hast Du es ja in der Zeitung gelesen. John ist ein bekannter Mann, und zumindest in der Times stand ein großer Bericht über unsere Hochzeit, und in einer Zeitung auf Long Island waren wir sogar in unserem Hochzeitswagen vor Johns Villa abgebildet. Auf dem Foto sitzen wir beide hinter dem Steuer, und er legt zärtlich seinen Arm um mich. Erinnerst Du Dich noch an das Foto von Rudolph Valentino und Natacha Rambova, das ich Dir mal gezeigt habe? Du weißt schon, die Ehe, die später annulliert wurde. Da saßen die beiden auch in einem Wagen, einem riesigen Cabrio mit roten Ledersitzen, so wie John eines besitzt. Er ist verrückt nach Automobilen, musst Du wissen. Aber wegen seines Reichtums habe ich ihn nicht geheiratet, ehrlich nicht. Es ist natürlich schön, dass ich endlich aus meiner schäbigen Wohnung herauskomme und mich in besseren Kreisen bewegen kann, aber ich habe seinen Antrag vor allem so schnell angenommen, weil er so ein herzensguter Mensch ist. Warmherzig, hilfsbereit und sexy … Jawohl, sexy! Auch Männer können sexy sein.«
Hannah sah den Husky neben dem Schaukelstuhl auftauchen und streichelte ihn mit einer Hand. »Hast du das gehört, Captain? Clara hat einen reichen und berühmten Mann geheiratet, und weißt du was? Ich nehme ihr sogar ab, dass sie ihn nicht allein des Geldes wegen genommen hat. Sie hat
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