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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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sprang, aber nicht zerbrach, ergoss sich schäumend Champagner. Der kleine Tisch flog gegen einen Sitz, die Sandwiches klatschten gegen ein Fenster. Die Maschine schwankte wie ein Fischerboot bei stürmischem Seegang.
    »Frank!«, rief Hannah. »Frank! Stürzen wir jetzt ab?«
    »Keine Angst!«, beruhigte er sie. Er stemmte sich vom Boden hoch und hielt sich mit beiden Händen an einem der Sitze fest. »Über den Bergen kommt es öfter mal zu Turbulenzen. In ein paar Minuten haben wir’s überstanden.«
    Die Falttür vor dem Cockpit wurde zur Seite geschoben, und der Copilot streckte seinen Kopf heraus. Seine Miene wirkte besorgt. »Irgendwas mit der Benzinleitung!«, rief er in den Motorenlärm. »Und starke Turbulenzen! Wir fliegen zurück! Halten Sie sich gut fest! Könnte etwas ungemütlich werden!«
    »Ich sehe mal nach«, sagte Frank. »Vielleicht kann ich helfen.«
    Hannah blickte ihm hinterher, wie er sich von einem Sitz zum nächsten durch die schwankende Maschine hangelte und in der offenen Tür zum Cockpit stehen blieb. Er stand breitbeinig wie ein Seemann und hielt sich am Türrahmen fest.
    Wieder setzte der Motor aus. Die Trimotor sackte weiter nach unten, stabilisierte sich erneut und wurde von einer heftigen Windböe so stark getroffen, dass es einen lauten Knall gab und Hannah schon befürchtete, eines der Fenster wäre zerbrochen. Sie schrie nicht, wimmerte nur leise, klammerte sich noch fester an die Lehne der Couch und blickte nach draußen. Ängstlich beobachtete sie, wie sich die Tragflächen unter den heftigen Turbulenzen bogen.
    Die Maschine taumelte nach unten. Die ersten Wolkenfetzen flogen an den Fenstern vorbei, es krachte und ächzte an allen Enden, und sie kam sich vor wie auf dem Rücken eines bockenden Maultiers, nur dass man hier oben nicht abgeworfen werden konnte. Wie gern hätte sie jetzt Frank an ihrer Seite gehabt, sich an ihn geklammert und sein tröstendes »Keine Angst! Das wird schon wieder!« gehört. Und tatsächlich hörte sie seine Stimme. »In ein paar Minuten haben wir’s geschafft, Hannah!«, rief er ihr vom Cockpit zu. »alles halb so schlimm! Einer der Motoren ist ausgefallen, aber die Trimotor hat drei, uns kann gar nichts passieren!« Das war natürlich gelogen, es musste gelogen sein, so wie die Maschine bockte.
    Sie presste ihre Nase gegen das kalte Fenster, sehnte die Stadt herbei und sah nur Wälder und Wiesen. Endlich tauchten die Schienen der Alaska Railroad unter ihnen auf, dann die ersten Häuser, und in der Ferne leuchtete bereits der breite Wiesenstreifen, der ihnen als Landebahn diente. Dem Piloten gelang es, die Maschine zu stabilisieren, der Motor brummte wieder regelmäßiger, und sie hielten stetig auf den Wiesenstreifen zu. Dann waren sie plötzlich dicht über dem Boden, die Maschine setzte auf und rollte holpernd auf dem Grasboden aus. Frank war bereits bei Hannah, schloss sie in die Arme und drückte sie fest an sich. »Wir haben es überstanden, Hannah!«, sagte er erleichtert. Das Problem schien dramatischer gewesen zu sein, als er hatte zugeben wollen. »Tut mir leid, aber diesmal kann ich wirklich nichts dafür. Du bist mir doch nicht böse?«
    »Nein, aber …« Sie lächelte. »Wolltest du mir nicht etwas sagen?«
    Er wurde rot. »Das holen wir irgendwann nach. Versprochen. Ich habe heute nicht mehr viel Zeit, die Pflicht ruft, immerhin bin ich jetzt bei der Post angestellt.«
    Sie verabschiedeten sich von Pierce, der sich tausendmal entschuldigte, und stiegen bei dem jungen Mann ein, der geduldig auf sie gewartet hatte und sie neugierig anblickte, als er ihre immer noch angespannten Mienen sah.
    Doch Hannah setzte sich wortlos auf die Rückbank und lächelte sanft, als Frank einen Arm um sie legte. »Bring mich nach Hause, Frank!«, sagte sie.

32
    »Wenn der letzte Fireweed verblüht ist, kommt der Winter«, sagte man in Alaska. Auf den Wiesen vor ihrem Blockhaus gab es überhaupt keine der unzähligen violetten Blumen mehr, und über den Wäldern hingen so schwere Wolken, dass es nur noch Tage dauern konnte, bis der erste Schnee in ihrem Tal fallen würde. »Jetzt wird es ernst«, sagte sie zu Captain, »aber du bist das ja schon gewöhnt.«
    Der Schnee kam eine Woche nach ihrer Rückkehr. Sie lag, erschöpft vom Holzhacken, im Bett und dachte darüber nach, was Frank ihr in dem großen Flugzeug wohl hatte sagen wollen, als der Wind vor ihrem Haus zu heulen begann und wirbelnde Schneeflocken gegen ihr Fenster trieb. Der Sturm setzte so

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