Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
Vom Netzwerk:
greifen konnte, und jeder Laut, und war es nur das Knacken eines Astes oder ein fallender Eiszapfen, schien ein dröhnendes Echo auszulösen. Wenn sie durch den Schnee stapfte, auf Schneeschuhen oder nur in Stiefeln, knirschte es unter jedem Tritt, und wenn sie mit dem Husky sprach, klang ihre Stimme unnatürlich laut, und vor ihrem Mund gefror die Luft.
    Nach einigen Tagen verschwanden die Wolken, und es wurde klirrend kalt. So eisig und frostig, dass Hannah, selbst wenn sie nur ihrem Husky das Fressen brachte, in ihrer Winterkleidung auf die Veranda trat. Sie besaß kein Thermometer, schätzte aber, dass es bereits minus zwanzig Grad oder eine noch kältere Temperatur anzeigte. Die Hotelbesitzerin in Fairbanks hatte ihr erzählt, dass sie schon einmal minus fünfzig Grad gemessen hatten. Ein sternenklarer Himmel spannte sich über das Land und den Gold River, der bereits zur Hälfte zugefroren war, und die unzähligen Sterne leuchteten wie kostbare Diamanten am samtschwarzen Himmel. »Ist das nicht wundervoll, Captain?«, fragte sie den Husky, der sich gerade hungrig über sein Fressen hermachte.
    Sie wollte schon ins Haus zurückkehren, als der Himmel aufbrach und einen flatternden Schleier auf den dunklen Samt warf, dunkelgrün zuerst, dann heller und beinahe weiß – zuckendes Licht, das unruhig durch die Dunkelheit geisterte, plötzlich auch in leuchtendem Rot und Violett erstrahlte, ein ganzes Bündel von Schleiern, die sich gegenseitig ins Gehege kamen und mit dem Mond und den Sternen um die größte Pracht am Himmel wetteiferten. Bei jedem Zucken verursachten sie ein leises Knistern, als wäre der Himmel mit Elektrizität aufgeladen, und immer wenn sich die Farben vermischten, warf der Himmel einen neuen Schleier in die Dunkelheit und ließ ihn leuchten.
    Das Nordlicht, ein Phänomen, von dem Hannah natürlich gehört hatte, und das sie so stark in seinen Bann zog, dass sie von der Veranda trat und einige Schritte zum Fluss hinunterlief und zum Himmel emporblickte. Sie badete ihr Gesicht in den leuchtenden Farben und dachte an Frank, wie schön es wäre, jetzt in seinen Armen zu liegen und das Farbenspiel mit ihm gemeinsam zu genießen. Er würde wiederkommen, das hatte er ihr nach dem Unglücksflug zum Abschied fest versprochen, wenn nicht während des Winters, dann spätestens im Frühjahr, wenn er die erste Post brachte, und dann würden sie eine neue Flasche Champagner öffnen, und er würde endlich die Worte sagen, die ihrem Leben eine neue Bedeutung schenken würden.
    »Frank!«, flüsterte sie. »Verdammt, ich wüsste zu gern, wo du dich im Moment herumtreibst!«
    Aber die Wochen vergingen, und Frank erschien nicht, sosehr sie sich auch nach ihm sehnte. »Zu kalt für die Jenny«, hatte er ihr erklärt, »mit den wassergekühlten Motoren würdest du als Eisblock vom Himmel fallen!« Nicht einmal der Postreiter kam mehr, obwohl er längst überfällig war, und Schwester Becky, die sich im Winter von einem Indianer mit dem Hundeschlitten durch die Wildnis steuern ließ, blieb ihrem Roadhouse ebenfalls fern. Als hätte sich alles gegen sie verschworen. Erst recht keine Spur gab es von den Indianern, die sich doch längst in ihr Winterlager zurückgezogen haben mussten, in einem der Täler jenseits des ehemaligen Goldgräbercamps. Weder der Häuptling noch Adam, oder Graubär, ließen sich bei ihr blicken.
    Zum Glück hatte sie das Gold gefunden, das der Onkel hinterlassen hatte. Andernfalls hätte sie spätestens vor ein paar Tagen, als sich abzeichnete, dass die Gäste vorerst ausbleiben würden und der Winter vor der Tür stand, abreisen müssen. So aber hatte sie sich von einem Teil des Goldes mit Lebensmitteln und warmer Kleidung eingedeckt. Auch Romane hatte sie sich von Kapitän J. B. mitbringen lassen und ein paar Kochbücher, mit denen sie sich die Zeit vertreiben und neue Gerichte für ihre Gäste ausprobieren wollte.
    Der Fallensteller, der im Dezember bei ihr auftauchte, konnte ihr auch nichts über Franks Verbleib sagen. Was sollte man von einem wortkargen Burschen erwarten, der die meiste Zeit in einem Speakeasy verbrachte, wenn er sich in einer Stadt aufhielt, und ansonsten einen großen Bogen um jede Siedlung machte? Er wusste gerade mal, welches Jahr sie hatten, und kehrte nur bei ihr ein, weil ihm ihr Kaffeeduft in die Nase gestiegen war. Logan war sein Name, nur Logan, und sie erfuhr immerhin, dass er einen weißen Vater und eine indianische Mutter hatte und weder bei den Weißen noch

Weitere Kostenlose Bücher