Im Land des weiten Himmels
Miss!«, sagte Adam. »Sie sind ihre Herrin. Sie geben die Befehle. Die Tiere müssen kapieren, dass Sie das Sagen haben, sonst machen sie, was sie wollen. Das wissen Sie sicher von Captain.«
»Captain ist kein gewöhnlicher Husky, der macht sowieso, was er will. Und du kannst mich Hannah nennen. Immerhin bin ich jetzt deine Schülerin.«
Adam war froh, dass seine Freunde sie nicht verstanden hatten. »Gern, Miss … Ich meine … Hannah.« Wegen seiner dunklen Haut sah man kaum, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. »Zeigen Sie … Zeig den Hunden, dass du alles im Griff hast. Lass dich nicht beirren! Du bist die Anführerin des Rudels.«
Bevor sie zum ersten Mal auf den Schlitten stieg, lernte sie, wie man die Hunde anspannte. Mit ihren Geschirren wurden sie paarweise an die lederne Zentralleine gebunden. Die Halsleine diente dazu, sie in der Spur zu halten, mit der Zugleine zogen sie den Schlitten. Nur Kobuk, der kräftige Leithund, lief allein an der Spitze des Gespanns. Adam nahm ihn in den Arm und kraulte ihm das Fell. »Am besten begrüßt du ihn gleich mal. Der Leithund ist das wichtigste Tier in einem Gespann. Mit ihm musst du dich blind verstehen.«
Sie ging neben Adam in die Hocke, achtete darauf, dass sie ihm nicht zu nahe kam, und tätschelte den Leithund. »Ich bin Hannah«, sagte sie zu ihm. »Ich hoffe, wir zwei verstehen uns. Du musst ein bisschen Nachsicht mit mir haben, ich lenke zum ersten Mal einen Schlitten, aber ich strenge mich an, das verspreche ich dir.« Sie erhob sich und lächelte Adam an. »Und du glaubst wirklich, ich kann das lernen? Eine weiße Frau aus Deutschland?«
»Du gehörst in den hohen Norden«, antwortete er, »das habe ich dir schon auf dem Schiff angesehen. Und wenn du hier überleben willst, musst du einen Hundeschlitten steuern können. Im Busch gibt es keine Straßen …, nur Trails.«
»Auf denen man schnell ins Schwitzen gerät auf Schneeschuhen«, bestätigte Hannah.
»Wenn man aus New York kommt.« Seine Augen blitzten vor Vergnügen. »Oder aus Deutschland.« Er führte sie zum Schlitten und stieg mit einem Fuß auf das Trittbrett. Mit beiden Händen hielt er sich an den Haltegriffen fest. »Die Hunde ziehen den Schlitten«, erklärte er, »vergiss das nicht. Sie erledigen die meiste Arbeit. Du zeigst ihnen nur, wo es langgeht. Wenn es nach links gehen soll, sagst du ›He!‹, wenn sie nach rechts sollen, sagst du ›Haw!‹. So haben wir es jedenfalls in Kanada gehalten. Du kannst auch was anderes sagen. Hauptsache, es ist immer dasselbe. Wenn die Hunde loslaufen sollen, rufst du ›Vorwärts!‹ oder ›Go!‹ oder so ähnlich und wenn sie anhalten sollen, rufst du ›Hooh!‹ Als würdest du auf einem Pferd sitzen. Es ist ganz einfach. Viel wichtiger ist, dass du locker auf dem Schlitten stehst. Lenke mit den Knien. Steig ab und hilf den Hunden, falls es zu steil wird, und vergiss nicht, den Schlitten mit dem Anker zu sichern, wenn du anhältst.« Er deutete auf den festen Holzpflock, der mit einer Rohhautleine am Schlitten befestigt war und tief im Schnee steckte. »Und lass dich vor allem nicht abwerfen! Wenn du deinen Schlitten verlierst, dauert es oft Tage, bis du ihn wiederfindest … Wenn überhaupt. Alles klar so weit?« Er zog den Holzpflock aus dem Schnee und verstaute ihn auf dem Schlitten. »Ich zeige dir mal, wie man damit fährt.«
Hannah trat zurück und feuerte ihn mit den anderen Indianern gemeinsam an, als er die Hunde mit einem lauten »Vorwärts!« antrieb. Durch den tiefen Schnee hinter den Häusern lenkte er das Gespann durch die Senke, kehrte ins Dorf zurück und bremste direkt vor ihr. »Und jetzt du, Hannah!«
Sie stieg zögernd auf den Schlitten und sah schon an den feixenden Gesichtern der Indianer, dass diese wohl damit rechneten, sie werde gleich in hohem Bogen vom Schlitten fliegen. Doch zum Umkehren war es zu spät.
»Bleib locker und federe jede Erschütterung mit den Beinen ab!«, ermahnte Adam sie. »Das ist ganz wichtig. Und verlagere in den Kurven dein Gewicht!«
»Vorwärts!«, rief sie nicht ganz so forsch wie Adam.
Die Hunde zogen an, und sie wäre beinahe vom Trittbrett gefallen, so plötzlich fuhr der Schlitten los. Wie ein Geschoss raste er über den festgestampften Schnee, schlingerte ein wenig, weil sie es versäumt hatte, über einer Bodenwelle in die Knie zu gehen, und bewegte sich rasant auf die erste Kurve zu, die so schnell kam, dass Hannah keine Zeit mehr blieb, ihr Gewicht zu verlagern, die
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