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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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vielen Menschen und fröhlichen Kindern umgeben war. Die Indianer waren ganz anders, als sie gedacht hatte, nicht so ernst und schweigsam wie in den Geschichten der Ranch Romances , eher fröhlich und sogar übermütig, wenn man mit ihnen vertraut war, und lediglich der Häuptling gab sich würdevoll und paffte meist gedankenvoll an seiner Pfeife, während sich die anderen unterhielten.
    Vielleicht erkannte er als Einziger, welche großen Probleme auf die Indianer zukamen. Vielleicht wusste er, dass seine Zeit abgelaufen war, und die Tanana einen Häuptling wie den jungen Adam brauchten, der in beiden Welten aufgewachsen war und seinem Volk helfen konnte, ohne seine Wurzeln zu verlieren in eine neue Zukunft zu gehen. Hannah mochte den jungen Mann. Nicht so, wie er sich das wohl erhoffte, eher als willensstarken Anführer, der keine Anstrengungen gescheut hatte, um zu seinem Volk zurückzukehren und beim Meditieren seinen Schutzgeist zu finden. Ein Mann wie er ließ sich nicht unterkriegen, wusste aber auch um die Abneigung vieler Weißer gegen die Indianer und war bereit, Kompromisse einzugehen. Chief Alex hatte bereits erkannt, welche Fähigkeiten in ihm steckten, und seine Geste, ihn an seine rechte Seite zu holen, während er die Geschichte erzählte, war ein deutliches Zeichen gewesen. Er setzte großes Vertrauen in den jungen »Graubär«.
    Wie sehr er sich dieses Vertrauens als würdig erweisen wollte, zeigte Adam schon jetzt, wenn er oft stundenlang in die Eiseskälte verschwand, um mit den Geistern zu sprechen und zu beten, wie er sagte, und wahrscheinlich über das Geheimnis nachzudenken, das Hannah mit ihm teilte. Wenn Joseph Farnworth tatsächlich beschloss, die Wälder im Tal der Tanana abzuholzen, würde großes Unglück über den Stamm kommen.
    Alle paar Tage nahm Hannah von nun an die anstrengende Wanderung durch die klirrende Kälte auf sich, um die Indianer in ihrem Winterquartier zu besuchen, Geschichten mit ihnen auszutauschen und sie dabei zu bewundern, wie sie dem strengen Winter trotzten. Vor allem mit Fröhlichkeit, wie sie feststellte. Ihr Lachen schien die eisige Kälte zu mildern und brachte Licht in die Dunkelheit, die nur noch während einiger Mittagsstunden vom Himmel wich. Ein Phänomen, an das Hannah sich erst gewöhnen musste. Ihr ganzes Leben lang war die Sonne am Morgen aufgegangen und am Abend wieder hinter dem Horizont verschwunden, und jetzt stahl sie sich jeden Tag für beinahe zwanzig Stunden davon, und wenn sie sich blicken ließ, war sie meist nur als heller Schimmer oder winzige Scheibe zu sehen.
    Das Land war unter einer dicken Schnee- und Eisschicht erstarrt, und nachts, wenn die Kälte besonders streng wurde, knarrten und ächzten die Bäume unter dem frostigen Zugriff. Vom Dach ihres Hauses hingen dicke Eiszapfen, die sie jeden Morgen abschlug, um nicht von ihnen getroffen zu werden, falls sie sich lösten. Das verschneite Land erwachte nur aus seiner Eintönigkeit, wenn das Nordlicht über den Himmel flackerte und sich in allen Farben auf dem Schnee und dem Eis spiegelte. Jedes Mal wenn das Nordlicht kam, war Captain besonders munter und sprang aufgeregt durch den Schnee, vergaß sogar seinen Futtertrog, um mit den Farben zu spielen.
    »Im Frühling werden die Missionare kommen«, sagte Chief Alex eines Tages zu ihr. »Sie werden versuchen, die Kinder in ihre Internate zu entführen und sie das zu lehren, was sie für richtig halten. Sie verbieten ihnen, unsere Sprache zu sprechen und zu unseren Geistern zu beten. Sie wollen, dass sie zum Gott des weißen Mannes beten. Ich habe nichts gegen euren Gott, und mir würde es niemals einfallen, einen Weißen zu zwingen, unsere Geister zu verehren. Jeder soll sich selbst aussuchen dürfen, zu wem er betet. Ich möchte nicht, dass Dorothy in ihre Schule geht. Kannst du sie unterrichten?«
    Hannah wusste nicht, was sie antworten sollte. »Aber ich bin keine Lehrerin«, sagte sie nach einigem Überlegen, »ich weiß nicht, ob ich das kann.«
    »Du kannst lesen und schreiben.«
    »Ja, aber …«
    »Dann kannst du es auch Dorothy beibringen … und einigen anderen in unserem Dorf. Dorothys Mutter war nie auf einer Schule und möchte es auch lernen, und vielleicht komme ich zum Rechenunterricht.« Seine Augen blitzten amüsiert. »Ich war nie besonders gut im Rechnen. Jeden zweiten Tag in dem Haus unter den Bäumen.« Er deutete auf eine kleine Blockhütte, die bisher leer gestanden hatte. »Einverstanden?«
    Ihr blieb nichts anders

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