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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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Gemälde im New Yorker Kunstmuseum, dramatischer als ein Film mit Gloria Swanson oder Rudolph Valentino. Hannah hatte Clara von diesem Schauspiel geschrieben, ihr sowieso alles erzählt, von den Indianern und Frank und dass sie Hundeschlitten lenkte, kochte und Kekse backte, und war sich dabei beinahe vorgekommen wie damals auf dem Dach, als sie einander all ihre Geheimnisse anvertraut hatten. Aber der Brief lag im Roadhouse, in der Box ihres Onkels auf dem Schrank. Sie würde warten müssen, bis Frank kam. Frank, den sie so sehr vermisste, obwohl ihre Tage angefüllt waren mit Arbeit und Beschäftigung und sie abends todmüde ins Bett sank.
    Mit dem Hundeschlitten kam sie immer besser zurecht. Auch schwierige Strecken meisterte sie inzwischen, einmal fuhren sie und Adam sogar zu ihrem Haus, bekamen es dort allerdings mit Captain zu tun, der wohl eifersüchtig war, weil sie nicht ihn vor den Schlitten gespannt hatte, und sich lautstark mit Kobuk und den anderen Hunden stritt.
    Als Adam ihr vorschlug, eine ausgedehnte Tagestour zu unternehmen, sozusagen als Meisterstück ihrer Ausbildung, zögerte sie zuerst. Der junge Indianer war ihr während der letzten Wochen zwar nicht zu nahe getreten und hatte sie nicht einmal berührt, doch sie brauchte nur in seine Augen zu blicken, um das verräterische Blitzen zu entdecken, dass alle Menschen zeigten, wenn sie verliebt waren. Aber Adam war trotz seiner jungen Jahre ein Ehrenmann, der niemals etwas gegen ihren Willen tun würde, und es war nach seinen Bemühungen, eine annehmbare Musherin aus ihr zu machen, eigentlich ihre Pflicht, ihm und den anderen zu zeigen, was sie gelernt hatte. »Gern«, antwortete sie deshalb. »Ich bin noch nicht gut genug, um allein mit dem Hundeschlitten durch die Berge zu streifen, aber wenn du dabei bist, will ich es versuchen. Aber überschätz mich nicht. Und wenn ich zusammenbreche, musst du mich auf den Schlitten packen und heim zu Captain bringen, versprich mir das.« Sie grinste.
    Diesmal spannte Hannah die Huskys vor den Schlitten. Sie spürten wohl, dass es auf eine längere Tour ging, und bellten und jaulten aufgeregt, als sie einen nach dem anderen an die Leine band. »Ganz recht, Kobuk!«, begrüßte sie den Leithund. Sie nahm ihn in den Arm und tätschelte ihn. »Heute gehen wir auf große Tour! Keine Ahnung, wohin uns Adam führt, aber er kennt sich in dieser Gegend inzwischen aus und weiß, wo es langgeht.«
    Alle Indianer waren aus ihren Häusern gekommen und wünschten ihr Glück für die erste längere Fahrt, die anscheinend einen ganz besonderen Stellenwert im Leben eines Menschen hatte. So wie das erste gesprochene Wort oder die ersten Schritte – Hannah war gerührt. Chief Alex nuckelte an seiner Pfeife und lächelte geheimnisvoll, seine Frau nickte ihr aufmunternd zu, und nur Dorothy war nicht nach Lächeln zumute. Das Mädchen hustete und schniefte und wurde anscheinend schon wieder krank. »Bring sie lieber ins Haus!«, rief sie der Mutter zu. »Und gib ihr ein bisschen von dem Aspirin in den Tee!«
    Adam packte den Proviant, den Hannah von zu Hause mitgebracht hatte, in den Vorratssack zwischen den beiden Griffstangen. Biskuits, etwas Elchschinken und eine Wärmekanne mit heißem Tee. Ihre Schneeschuhe verstaute er ebenfalls in dem Vorratssack. Er setzte sich auf den Deckenstapel, den er auf die Ladefläche gepackt hatte, deckte sich mit zwei weiteren Decken und einem Karibu-fell zu und zog seine Fellmütze über die Ohren. Dann nickte er Hannah auffordernd zu. Sie sollte das Vergnügen haben, unter den beifälligen Blicken der Indianer aus dem Dorf zu fahren.
    Hannah kam sich wie beim Start eines Rennens vor. Die Aufregung ließ ihr Herz schneller schlagen. Hatte sie von einem solchen Ausflug nicht schon auf dem Dach der Mietskaserne in New York geträumt? Hatte sie sich nicht auf einem Hundeschlitten in der Wildnis gesehen, umgeben von verschneiten Bergriesen?
    Sie überprüfte noch einmal die Huskys, wie sie es von Adam gelernt hatte, und verwöhnte jeden einzelnen mit einem Klaps oder einem aufmunternden Wort. Die Hunde waren ebenso aufgeregt wie sie, zerrten schon jetzt ungeduldig an den Leinen und konnten es kaum erwarten, endlich wieder loszurennen. »Keine Bange! Gleich geht es los«, versprach sie ihnen. Sie stieg auf das Trittbrett und zog den Anker aus dem Schnee. Mit einem letzten Blick in die erwartungsvollen Gesichter der Indianer rief sie: »Vorwärts, Kobuk! Lauft!«
    Das ließen sich die Hunde nicht

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