Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
Vom Netzwerk:
zu. »Hat dein Onkel wirklich eine Goldmine?«
    Sie nickte. »Er würde meine Mutter niemals belügen.«
    »Na also, was soll dir passieren!« Sie umarmte Hannah und drückte sie fest an sich. »Nun freu dich doch endlich, Hannah! Du hast das große Los gezogen! Dein Traum geht endlich in Erfüllung!« Sie lösten sich voneinander. »Wann soll es denn losgehen?«
    »So bald wie möglich«, antwortete Hannah. »Am besten morgen oder übermorgen.« Noch immer war nicht alle Besorgnis aus ihrem Blick gewichen. »Ich muss nur bei der Nähfabrik vorbeigehen, dann erkundige ich mich nach den Zügen.«
    Carla umarmte sie noch einmal. »Ich freue mich so für dich, Hannah! Genauso wie du jetzt werde ich mich fühlen, wenn ich mit meinem Millionär vor dem Traualtar stehe. Du schreibst mir doch?«
    »Versprochen«, sagte Hannah.
    »Und ich bin die Erste, die erfährt, wenn du einen Mann kennenlernst.«
    Hannah winkte schmunzelnd ab. »Das wird wohl eine Weile dauern. Du weißt doch, in der Wildnis gibt’s nur Indianer und verrückte Fallensteller.«
    »Oh Mann!«, stöhnte Carla.

5
    Schon auf dem Weg zur Nähfabrik hatte Hannah ein ungutes Gefühl. Die fröhliche Stimmung, die Carla gestern auf dem Dach verbreitet hatte, war verflogen und von dem bedrückenden Gefühl vertrieben worden, eine Laune des Schicksals könnte ihre Reise noch kurz vor der Abfahrt verhindern. Ständig hatte sie das schadenfrohe Grinsen ihres Vermieters vor Augen, der sie auf keinen Fall gehen lassen würde, falls er von ihren Plänen erfuhr. Er durfte den Brief, den sie ihm schreiben würde, erst finden, wenn sie schon unterwegs war.
    Von düsteren Ahnungen geplagt überquerte sie die Straße. Die Schicht hatte bereits begonnen, und sie spürte die Blicke des Pförtners in ihrem Rücken, als sie an den Arbeitsräumen vorbeiging und in den ersten Stock hinaufstieg. Vor der Tür des Schichtleiters blieb sie stehen. Obwohl es eigentlich keinen Grund zur Sorge gab, schlug ihr das Herz bis zum Hals.
    »Miss Stocker?«, wunderte sich Mr Gottfried, als sie sein Büro betrat. Er ließ die Hand mit dem Federhalter sinken. »Sollten Sie nicht längst an der Arbeit sein?«
    Sie räusperte sich verlegen. »Doch, Mr Gottfried. Und es tut mir sehr leid, dass ich Ihnen nicht früher Bescheid sagen konnte, aber in meinem Leben hat sich einiges verändert, und ich muss leider kündigen.«
    »Sie wollen uns verlassen?« Gottfried zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Die meisten Angestellten waren froh, dass sie überhaupt Arbeit hatten, und es kam selten vor, dass jemand die Fabrik verließ. »Das kommt ein wenig plötzlich.«
    Hannah spürte die Neugierde des Schichtleiters und enttäuschte ihn nicht. »Ich gehe zu meinem Onkel nach Alaska.«
    Gottfried blickte sie entgeistert an. Sein Leben verlief in geordneten Bahnen, und es fiel ihm schwer, ihren spontanen Entschluss nachzuvollziehen. »Alaska? Das Territorium am Polarkreis? Ich hoffe, Sie haben sich das gut überlegt, Miss Stocker.«
    »Ganz bestimmt«, erwiderte sie. »Ich konnte New York nie …« Sie sah, wie sich seine Stirn in Falten legte, und hielt mitten im Satz inne. »Ich weiß, es klingt ein wenig seltsam, aber ich habe mich immer nach einem Land wie Alaska gesehnt.«
    »Und ich dachte, eine junge Frau wie Sie könnte sich nichts Schöneres vorstellen, als in einer Metropole wie New York zu leben.« Er gestattete sich ein flüchtiges Lächeln und zog einen Aktenordner aus dem Schrank. »Wenn ich mich recht erinnere, steht Ihnen der Lohn für drei Wochen zu.«
    Er blätterte in den Akten, bis er auf ihren Namen stieß und runzelte die Stirn. »Dagegen stehen allerdings die vier Raten, die Sie der Fabrik noch für den Kredit Ihrer Mutter schulden. Hab ich recht, Miss Stocker?«
    »Vier Raten, das stimmt.« Hannah war froh, dass er so einsichtig war, sie würde die Schulden begleichen und das restliche Geld für die Reise haben. Alles würde gut werden. Sie entspannte sich.
    Er schrieb einige Zahlen auf einen Zettel, verglich sie mit den Angaben in den Akten, rechnete erneut und blickte sie ernst an. Das Lächeln war längst aus seinem Gesicht verschwunden. »Nun, Miss Stocker«, begann er etwas umständlich, »ich muss Ihnen leider die bedauerliche Mitteilung machen, dass ich Ihnen lediglich noch vier Dollar auszahlen kann. Vier Dollar und sechzig Cent, um genau zu sein.«
    »Vier Dollar sechzig?« Sie blickte ihn entgeistert an.
    »Leider, Miss Stocker. Ich würde Ihnen gern etwas Angenehmeres

Weitere Kostenlose Bücher