Im Land des weiten Himmels
Während die Flammen nach oben leckten, holte sie den Picknickkorb und packte die Lachssteaks aus. Gemeinsam salzten und pfefferten sie den Fisch, spießten ihn auf angespitzte Äste, die sie neben dem Feuer in den Boden rammten und schräg über die Flammen nach oben ragen ließen, und breiteten eine Wolldecke über dem sandigen Boden aus. Es war eine Freude, Hand in Hand mit Frank Dinge zu tun, immer wieder musterte Hannah ihn verstohlen und rief sich dann zur Ordnung – morgen würde sie abreisen und ihn wahrscheinlich nie wiedersehen.
Der Fisch schmeckte köstlich, war so zart, dass er beinahe auf der Zunge zerging, und ließ sie beide zufrieden lächeln. Auch das Obst war frisch, besonders die Erdbeeren, die Frank von einem Händler aus dem kanadischen Okanagan Valley gekauft hatte. Der Coca-Cola konnte Hannah weniger abgewinnen, und auch er musste zugeben, dass ein leichter Weißwein sicher besser zu dem köstlichen Mahl gepasst hätte, aber das Alkoholverbot war schon vor sechs Jahren in Kraft getreten, und selbst Wein und Bier waren nur über dunkle, von Gangstern kontrollierte Kanäle zu bekommen. Hannah war es egal. Sie machte sich nichts aus Alkohol und trank am liebsten Wasser, auch Kaffee mit Milch und Zucker, sofern beides vorhanden war, und Limonade.
»Tut mir leid wegen gestern«, entschuldigte er sich nach einem Schluck Cola. »Ich wollte Sie mit meinen Kunststücken nicht erschrecken. War wohl etwas heftig für eine Lady, die zum ersten Mal in einem Flugzeug sitzt, was?«
»Mir war hundeelend«, sagte sie. »Eine Kurve mehr, und ich hätte mich übergeben!« Sie blickte ihn lange an. Er gehörte zu den Männern, denen man nicht böse sein konnte. »Ich weiß, ich weiß … Ich war auch nicht besonders nett zu Ihnen. So habe ich noch nie einen Mann beschimpft, nicht einmal meinen Vermieter in New York, und dem hätte ich einiges zu sagen gehabt. Ich hoffe, Sie sind nicht nachtragend. Ich hab mir sagen lassen, Barnstormers sind hart im Nehmen.«
»Nicht bei einer schönen Frau wie Ihnen.« Er errötete und gab rasch vor, sich um das Feuer kümmern zu müssen, obwohl noch genug Holz brannte. Sie stand ebenfalls auf und half ihm. Nachdem er einen weiteren Ast hineingeworfen hatte, fuhr er fort: »Wissen Sie, dass Sie die erste New Yorkerin sind, die ich kennengelernt habe?«
»Eigentlich komme ich aus Deutschland …«
»Und die erste Deutsche«, ergänzte er lächelnd.
»Wo kommen Sie her?«
Er blickte in die lodernden Flammen. »Detroit. Unsere ganze Familie arbeitete für die Ford Motor Company in Dearborn, mein Vater und ich am Fließband und meine Mutter als Sekretärin. Wir kannten jedes einzelne Teil des Ford Model T Roadster auswendig.« Er grinste traurig. »Leider sind meine Eltern nicht mehr am Leben. Mein Vater starb an einer schweren Lungenentzündung und meine Mutter nur ein paar Monate später … Sie liebte meinen Vater über alles. Ich machte eine Weile allein weiter und wollte eigentlich an der Trimotor mitbauen, dem Flugzeug, das Ford gerade entwickelt. Ich hatte immer was fürs Fliegen übrig und wollte wenigstens an der Konstruktion beteiligt sein, wenn ich mir so eine teure Maschine schon nicht leisten konnte. Leider wollte Ford mich in der Abteilung nicht haben. Aber ein paar Monate später hatte ich das Glück, bei meinem Onkel Dixon einsteigen zu können. Onkel Dixon reparierte Flugzeuge, Boote, Autos …, einfach alles, was zu Wasser, zu Lande und in der Luft unterwegs war, und brachte mir alles bei, was ich über Flugzeuge wissen muss. Als er billig an die Jenny da drüben kam« – er deutete auf die rote Maschine –, »schenkte er sie mir, und ich begann zu fliegen. Nun ja … So wurde ich Flieger. Keine besonders aufregende Geschichte.«
»Sie sind ein guter Pilot«, lobte sie ihn. »Bei Ihnen fühle ich mich sicher.«
Unvermittelt beugte er sich zu ihr herüber und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Und du bist eine wunderbare Frau, Hannah! Willst du wirklich nach Alaska?«
»Da zieht es mich schon seit Jahren hin«, erwiderte sie. Ihre Stimme klang plötzlich ein wenig rauer als sonst, und sie hatte nur noch den Wunsch, von ihm in die Arme genommen und richtig geküsst zu werden. Sein Gesicht verschwamm vor ihren Augen, als er langsam näher kam, die leere Cola-Flasche achtlos fallen ließ und sie mit seinen starken Armen an sich zog. Ihre Lippen verschmolzen miteinander. Er schmeckte nach Coca-Cola und dem Ruß, der vom Feuer aufstieg, als sie seinen Kuss
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