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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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ganze Gegend abgesucht und nicht die geringste Spur von ihm gefunden. Die Indianer haben ihn auch nicht gesehen. Als wäre er vom Erdboden verschluckt. Das sieht ihm gar nicht ähnlich. Wenn ich ehrlich bin …« Er suchte nach Worten.
    »Sie glauben, dass er tot ist?«
    »Ihr Onkel wäre nicht der Erste, der spurlos im Busch verschwindet. Ich hab die Indianer gebeten, die Augen offenzuhalten, aber wenn er nicht bald auftaucht …« Auch diesen Satz ließ er unvollendet. »Tut mir leid. Sieht ganz so aus, als müssten Sie erst mal ohne ihn auskommen.«
    »Ich hab mir schon so was gedacht.«
    »Wussten Sie, dass Ihr Onkel ein Roadhouse eröffnen wollte? So heißen die Gasthäuser hier oben. Auf dem Gold River kommen nur kleinere Boote vorwärts, aber im Winter nehmen zahlreiche Musher die Route durch dieses Tal und würden hier sicher gerne einkehren.«
    »Den Leuten kann geholfen werden«, erwiderte sie. »Onkel Leopold hat bestimmt nichts dagegen, dass ich ihm ein wenig Arbeit abnehme, und wenn er tatsächlich …« Sie legte eine kurze Pause ein. »Ich mache hier auf jeden Fall weiter.«
    »Dachte ich mir …« Buddy schwang sich in den Sattel und griff nach den Zügeln der anderen Maultiere. »Kein leichtes Leben, wenn Sie mich fragen, vor allem für eine Frau.« Er blickte grinsend auf sie herab. »Und das hat nichts damit zu tun, dass ich mit manchen Frauen auf Kriegsfuß stehe. Die meisten, egal ob Männer oder Frauen, kämen mit der Einsamkeit nicht zurecht. Die Indianer zählen nicht, mit denen hatte der Dutchman nie viel im Sinn. An Ihrer Stelle würde ich nach Fairbanks zurückgehen … oder Anchorage. Überlegen Sie sich’s, Missy, auf dem Rückweg komme ich hier noch mal vorbei.«
    Hannah schüttelte ihm die Hand. »Auf Wiedersehen, Mr Cowboy. Ihr Geld bekommen Sie, sobald ich mich hier ein wenig umgesehen habe. Ein paar Goldkörner hat mein Onkel sicher irgendwo versteckt. Wenn nicht, schicke ich Sie mit einem Pickel in den Stollen, dort gibt’s bestimmt noch was zu holen.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher, Missy«, erwiderte er. »Aber ich will sowieso kein Geld von Ihnen. Sie haben sich wacker gehalten … Für eine Frau aus New York, meine ich.« Er schnalzte mit der Zunge und ritt langsam davon. »Auf Wiedersehen, Missy!«
    »Hannah … oder Miss«, verbesserte sie ihn automatisch.
    »Wie Sie meinen, Missy.«

17
    Hannah blickte dem Postreiter von der Veranda aus nachdenklich hinterher, selbst als er schon längst zwischen den Bäumen verschwunden war. Ein seltsames Gefühl der Wehmut befiel sie, hervorgerufen durch das ungewisse Schicksal ihres Onkels und die plötzliche Stille. Der Himmel hatte aufgeklart und erstrahlte in einem wunderbar klaren Blau, von einer Sonne beherrscht, die ihr Feuer bis zum fernen Horizont zu verteilen schien. In leuchtenden Farben brannten die Wildblumen auf den Grasteppichen, die sich über die sanften Hügel in der Senke bis zu den Bergen erstreckten. Hoch und eindrucksvoll ragten die felsigen Gipfel der White Mountains hinter den Bäumen hervor, unerschütterlich und unbesiegbar wie alles in dieser Natur.
    Hannah setzte sich in den Schaukelstuhl auf der Veranda und ließ den Anblick auf sich wirken. Trotz ihres ungewissen Schicksals war sie von tiefer Ruhe erfüllt. Nach vielen Jahren des Suchens und Herumirrens hatte sie ihr Ziel gefunden und würde sich durch nichts mehr beirren lassen, in tiefen Zügen kostete sie das Gefühl aus, endlich dort zu sein, wo sie hingehörte. Sie war angekommen. Dies war das Paradies, in dem sie ihr neues Leben beginnen würde.
    Ein Leben, das leider nicht für eine der kitschigen Geschichten in den Ranch Romances taugte, dort durfte man ein Happy End erwarten. Dort wäre nicht dieser Mistkerl, dieser Clyde Bannister, sondern Frank Calloway in seinem roten Doppeldecker aufgetaucht, und sie wären zusammen zum Gold River geflogen und hätten dort glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage gelebt. Ein Happy End voller schmalziger Geigen, wie es das wirkliche Leben nur selten bereithielt und auch ihr verweigerte. Vergeblich suchte sie diesen blauen Himmel nach dem roten Doppeldecker und dem Piloten ab, der sie umgarnt und schon am nächsten Morgen versetzt hatte und in diesem Augenblick wahrscheinlich mit einer anderen Frau am Himmel über Oregon oder Kansas kreiste. Denk nicht mehr an ihn, sagte sie sich, mit einem lasterhaften Draufgänger, der von einer Freundin zur anderen flog, konnte es beim besten Willen kein Happy End

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