Im Licht der roten Erde
dann an Alan. »Wir müssen noch über unsere Abmachung sprechen.«
Damit ging sie allein zu ihrem Zimmer im Lager der Barradja zurück. Susan war die Erste, die sich an Alan wandte. »Du hast eine Abmachung mit dieser Blutsaugerin getroffen?«
»Es ist nicht ganz so, wie sie es sich vielleicht vorstellt.« Er erklärte seine Seite der Übereinkunft, wobei er überflüssige Details erwähnte, wie um seine Beteiligung zu rechtfertigen. In seinen Augen sei dies ein Mittel, den Verkauf der Kunstwerke aus Bungarra an die Touristen aus Europa zu überwachen.
»Wen man nicht besiegen kann, mit dem muss man sich verbünden«, bemerkte Mick lakonisch.
»Dann kommst du also mit uns, Alan?«, fragte Hunter, um die unangenehme Pause zu überbrücken.
»Nur nach Bungarra.«
»Gut. Ich habe ein komisches Gefühl, was die Leute betrifft, die sie da anschleppt. Die sind anders als die, die ich sonst herumkutschiere.«
»Alles an Rowena ist anders«, stellte Veronica fest.
In jener Nacht tanzten die alten Männer. Beth’ Entschuldigung war schließlich akzeptiert worden, und in einer spontanen Geste wurde die Gruppe nach dem Abendessen ans Lagerfeuer der Barradja gerufen. Ardjani, Rusty und Digger saßen in ihren Sporthosen da, mit nackten Füßen und Oberkörpern, auf denen, ebenso wie in den Gesichtern, weißer Ocker verteilt war. Die Frauen sangen, schlugen ihre
clapsticks
im Takt und gaben so den Rhythmus des Tanzes vor. Die Kinder hüpften mit aufgeregten Stimmen und leuchtenden Gesichtern am Rande des Tanzplatzes herum, das Licht des Feuers flackerte in ihren weit aufgerissenen dunklen Augen, als die Männer die Weißen auf der Jagd nach dem Buschhuhn nachahmten. Die Darbietung, ihr überzogen dargestelltes Verhalten rief viel Gelächter hervor. Bald schlossen sich die Jungen an und folgten dem Rhythmus und den Bewegungen der alten Männer.
Das Stampfen ihrer nackten Füße zum Takt der Schlaghölzer erinnerte Susan an die Vibrationen, die sie gespürt hatte, als sie am Morgen unter den Schraubenbäumen auf der Erde gelegen hatte.
Dann sah sie die Totemmuster, gezeichnet in den Staub, der unter den Füßen der Tänzer aufwirbelte. Sie waren Teil der Handlung, Bühne für diese Zeremonie und den darin enthaltenen Symbolismus.
Alles war aus der Erde gekommen; dieser Tanz war gleichzeitig Ehrung und Überlieferung der alten Geschichten, die dadurch gegenwärtig wurden. Jeder der Tänzer wurde zur lebendigen Verkörperung seines
dreamings,
der durch die Ahnenwesen symbolisierten Urform vom Anbeginn der Schöpfung.
Hunter zog seinen Pullover aus und gesellte sich barfuß, in Jeans und T-Shirt zu den Tänzern. Er bemühte sich, den Schritten der Männer zu folgen, was beim Publikum eine Welle der Begeisterung hervorrief. Der Feuerschein tanzte auf seinem durchtrainierten Körper, und obwohl er die Schritte nicht kannte, bewegte er sich anmutig und geschmeidig. Susan schaute zu Barwon, da sie erwartete, dass er ebenfalls mittanzen würde, doch er hockte zusammengekauert am äußersten Rand des Kreises und verfolgte das Ritual mit den Augen.
»Die Jungen genießen es, doch gleichzeitig dient eine solche Tanzzeremonie dazu, sie auf die komplizierten heiligen Tänze vorzubereiten, die sie später lernen müssen«, erklärte Beth. »Eines Abends, wenn alle Mitglieder der Gemeinschaft zurückgekehrt sind, werden sie eine richtige
corroboree
abhalten.«
»Tanz, Bewegung, Körperbemalung und Schmuck – das alles zusammen ist ein Ritual, das mich fasziniert«, bemerkte Alan. »Digger hat heute angefangen, eine Geschichte zu singen, weil wir einen Traumpfad gekreuzt haben, der Schauplatz einer Geschichte seiner Ahnen gewesen ist. Es war daher seine Pflicht, den Toten Ehre zu erweisen.«
»Wir sind dem gefolgt, was Ardjani ›den natürlichen Weg der Erde‹ genannt hat. Den alten Pfaden, auf denen die Ahnen schritten, als sie durchs Land zogen und seine geografischen Merkmale schufen«, sagte Alistair. »Den
songlines
«, fügte Mick hinzu. »Wie funktioniert das noch mal?«
Beth wies auf Jennifer, die erklärte: »Das Land ist durchzogen von einem klar festgelegten Pfad ineinander übergreifender Geschichten, die von den Reisen der Ahnen durch den Raum erzählen. Die
songlines
werden als klangliche Entsprechungen dazu verstanden, genau wie sie auf den gemalten oder geschnitzten Bildern der Aborigines als Linien dargestellt werden. Jede Liedstrophe wird an dem Ort gesungen, an dem die Ahnen etwas ganz Bestimmtes
Weitere Kostenlose Bücher