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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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schufen – einen See, einen Fluss, einen Berg. Jede unserer Gruppen gehört zu fest vorgegebenen Abschnitten entlang dieser ›Liedpfade‹, woraus eine Art Kommunikationsnetzwerk entsteht, das über große Distanzen hinweg Kontakt ermöglicht. Folgt man den
songlines,
so folgt man den tradierten, zeremoniellen Wanderungen, auf die sich die Ahnen während der Schöpfungszeit begeben haben. Sie sind in unserer Mythologie begründet, die der Mitte der Erde entspringt, dort, wo die Traumzeitschöpfung beginnt. Die Lieder müssen von dem Hüter der jeweiligen Stätte direkt an Ort und Stelle gesungen werden.«
    Als der Gesang der Frauen verstummte, bedankte sich die Gruppe bei den Barradja. Ardjani unterbrach Alistair und sagte leise: »Heute warst du ein Jäger. Du hast etwas gelernt, das deine Leute vergessen haben. Behalt das, damit du dich daran erinnerst.« Er reichte ihm einen langen geschmeidigen Federkiel vom Flügel des Buschhuhns. Alistair neigte den Kopf, doch er erwiderte nichts. Ardjani grinste. »Mach einen schicken Füller daraus und unterschreib deine Gerichtsakten damit, hm?«
     
    Am folgenden Morgen zündete Hunter sich eine Zigarette an und versuchte, nicht zu grinsen, als er zusah, wie das Louis-Vuitton- und Gucci-Gepäck aus der zweimotorigen Propellermaschine Piper PA - 31 geladen und unter Frank Wards Aufsicht auf die Ladefläche des Ute, wie man die Pick-ups hier nannte, verfrachtet wurde. Rosalie Ward verteilte Hüte und Sunblocker, beantwortete Fragen und mühte sich, die Europäer – drei Männer und zwei Frauen – in das Safari-Fahrzeug zu bekommen, doch die blieben stehen und hörten Rowena zu, die eifrig damit beschäftigt war, von der Mystik dieses spirituellen Landes zu berichten – der Kimberley. Die Besucher machten Fotos von der Buschlandebahn auf der Avenue-Station, wo die Aborigine-Rindertreiber zu Pferde nicht ahnten, dass sie eine lebendige Touristenattraktion darstellten.
    Rowena winkte ihrer Gruppe, und alle folgten ihr zu dem Safari-Fahrzeug. Hunter glitt hinters Steuer. Rosalie nahm vorne Platz, zusammen mit Rowena; der australische Pilot stieg in Franks Ute.
    »Folgen Sie Frank, Hunter. Das Anwesen ist nur etwa einen Kilometer entfernt.« Rosalie schenkte Hunter ein charmantes Lächeln.
     
    Als sie ankamen, warteten bereits zwei weitere Gäste. Ein Frankokanadier und ein Schweizer, beide Fotografen. Sie hatten beschlossen, nicht zusammen mit den anderen aus dem Flieger, der sie nach Kununurra gebracht hatte, in die kleinere Piper PA - 31 umzusteigen, sondern stattdessen vor Ort einen Wagen mit Allradantrieb zu mieten.
    Hunter schüttelte ihnen die Hand und gratulierte ihnen zu ihrem gelungenen Timing. »Mein Partner ist Schweizer. Er ist immer pünktlich«, sagte der Frankokanadier grinsend.
    Vom Haupthaus aus führte Rosalie die Gruppe durch den Vorgarten zu den separaten Gästequartieren, die abgeschirmt waren von leuchtender Bougainvillea, schattigen Verbindungsgängen und hohen Palmen – tropische Architektur, gepaart mit Outback-Schlichtheit. Jedes der passend zu einem bestimmten Thema eingerichteten Doppelzimmer hatte ein Bad mit Dusche und WC . Die Fotografen bekamen den Schlüssel zum
billabong-
Raum. Die Farben des großen Wandgemäldes von einem stillen Teich voller Wasserlilien wiederholten sich in weichen grünen und rosa Kissen und dem dazu passenden Bettüberwurf. Die beiden Männer schlossen die Fliegengittertüren, ließen den Ventilator ausgeschaltet und stellten die Klimaanlage an, dann blickten sie neugierig auf die Moskitonetze über den Betten. Sie warfen ihr Handgepäck auf den Korbsessel und fingen an, in schnellem Französisch miteinander zu reden.
     
    An jenem Abend hielt Rowena in dem förmlichen Esszimmer Hof und erzählte kunstvoll ausgeschmückte Märchen vom Leben mit den Barradja. Nach der gemeinsamen Mahlzeit wechselten sie zu Kaffee und Likör in das große Wohnzimmer. Die beiden Männer, welche die Strecke auf eigene Faust zurückgelegt hatten, wünschten gerade eine gute Nacht, als das Telefon klingelte.
    Rosalie nahm ihren Mann beiseite. »Es ist Len Steele, er will sich mit uns treffen.«
    Frank nahm den Apparat in seinem Büro ab. »Hallo, Len, was gibt’s?«
    »’ne ganze Menge. Es scheint sich Ärger zusammenzubrauen. Giles Jackson hatte einen Zusammenstoß mit einem Aborigine-Bastard, einem von diesen Städtern, die bei den Barradja zu Besuch sind. Jackson glaubt, er hat im Explorationslager in Boulder Downs spioniert. Du

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