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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Rolle, ob sie wussten, weshalb sie kamen oder zu welchem Zweck, ob sie überhaupt über seine Pläne im Bilde waren. Er wusste, wenn sie hierherkamen, an diesen ganz besonderen Ort, würde sich ihr Leben verändern. Die Geister der Ahnen würden jeden von ihnen führen.
     
    Orangerote Erde hatte sich in den Reifenprofilen festgesetzt, und eine feine Puderwolke wehte hinter dem alten Corolla her. Bei einer fast gleichbleibenden Geschwindigkeit von achtzig Stundenkilometern rollten die Räder über die Wellen aus festgebackenem Lehm, die so gleichmäßig waren wie die Riffeln in einem Waschbrett. Ein bisschen langsamer, und das Auto würde noch mehr rütteln und vibrieren, als es das ohnehin tat, ein bisschen schneller, und man riskierte, an den Stellen mit lockerer Deckschicht die Kontrolle über den Wagen zu verlieren.
    Die Frau am Steuer zeigte sich unbeeindruckt von den Straßenbedingungen, der Corolla war schon durch schlimmeres Gelände geholpert als durch die Kimberley. Sie konnte sich kein allradgetriebenes Fahrzeug leisten und hatte die protzigen Touristenvehikel in den abgelegenen Städten, die sie durchfuhr, geflissentlich ignoriert. Sie waren ausgestattet mit unendlich viel Schnickschnack, Frontschutzbügeln, Suchscheinwerfern, Wassersäcken und Scheibenschutz, bei laufender Klimaanlage thronten die Insassen auf gepolsterten Sitzen und betrachteten die vorüberziehende Landschaft. Ihrer Ansicht nach verpassten sie viel von dem Abenteuer, das sie doch eigentlich suchten. Auf diese Art konnten sie wohl kaum in echten Kontakt mit dem Land treten.
    Beth Van Horton ignorierte die heiße Luft in ihrem Gesicht, atmete den Geruch der Wüste, des aufgeheizten Motors, den Duft einer gerade ausgelutschten Orange. Ihre Arme waren von der Sonne verbrannt, ihr Gesicht schmutzverschmiert, doch sie saß aufrecht da, die blauen Augen unbewegt, während sie mit festem Griff das Lenkrad hielt. Genau so begegnete sie dem Leben: nach vorne schreitend, ruhig, geradlinig und unerschütterlich.
    Beth hatte diese Straße in den vergangenen zwanzig Jahren viele Male genommen, doch keine einzige Fahrt hatte einen solchen Eindruck bei ihr hinterlassen wie jener erste Anblick der Kimberley vor einem halben Leben, als sie, eine zwanzigjährige Nonne, ihre erste Reise dorthin unternommen hatte.
     
    Trotz des hüpfenden Missionstransporters hatte sie schicklich neben Vater Thomas gesessen und die Landschaft betrachtet, als wären sie auf einem fremden Planeten gelandet. Zunächst hatte sie den Eindruck, das Land bestünde überwiegend aus heißer, ockerfarbener Erde und einem kobaltblauen Himmel, doch als die Stunden verstrichen, begannen ihre Augen die Feinheiten zu erkennen, silbriges Graugrün, wo Bäume und dürres Buschland die Schroffheit milderten. Ein kahler Kamm aus dicht beieinanderstehenden, klotzig-kantigen Felsbrocken erhob sich von dem flachen Land ringsum. Ein großer Vogel schwebte in der Luft, ein ferner Fleck, Zeichen von Leben.
    Sie hatte den Kopf so lange zum Fenster gedreht, dass sich der alte Priester, der den Transporter fuhr, schon fragte, ob die Novizin wohl Tränen oder irgendwelche Hintergedanken verbergen wollte.
    »Kaum zu gebrauchen, hm? Völlig unfruchtbar. Hier draußen gibt es keine zu rettenden Seelen. Kaum ein Tier oder eine Pflanze. Es wird etwas besser, wenn wir in der Nähe von Marrenjowan sind.«
    Sie hatte genickt, doch überzeugt gewirkt hatte sie nicht. Sie kämpfte darum, die Gefühle zu bestimmen, die sich tief in ihrem Innern, in einem unbekannten Teil ihres Körpers zu regen begannen. Sie wollte hinaus in jenes Land gehen. Sie glaubte nicht, dass es nutzlos war. Bei Vater Thomas hatte es geklungen, als spreche er über eine unfruchtbare Frau, deren mangelnde Fortpflanzungsfähigkeit sie weniger wertvoll machte.
    Mutter zu werden gehörte nicht zu ihrem Lebensplan, Dienstbarkeit, Großzügigkeit und Fürsorglichkeit waren die treibenden Kräfte. Schon als kleines Mädchen war Beth stets als Erste zur Stelle gewesen, wenn es galt, kindliche Worte des Trostes zu murmeln, sobald sie annahm, dass jemand liebevolle Unterstützung brauchte. Ihr teilnahmsvolles Gesichtchen und die ernsten Augen, ihr offenes, warmes Herz zeigten Dankbarkeit und Güte.
    Die Kirche war Teil ihres Alltags, und es war eine natürliche Konsequenz, dass sie verkündete, sie werde nach Abschluss der Schule dem Konvent beitreten. Von Kindheit an unter dem Schutz der Nonnen stehend, betrachtete Beth ihre Weiblichkeit als ein

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