Im Licht der roten Erde
über die Schulter blicken, egal, wohin du gehst.«
Sie umarmten sich, und Beth fühlte, wie leicht diese Frau war, von der sie immer angenommen hatte, sie sei aus Stahl.
Sie gingen ins Haus, wo englische
scones
und Tee auf sie warteten. »Hab mir schon gedacht, dass du etwa um die Zeit hier ankommst. Mach dich frisch und erzähl mir dann, was du im Schilde führst.« Sie hantierte umständlich mit dem nicht zusammenpassenden Porzellangeschirr, während sich Beth die Hände im Spülbecken der einfachen Küche wusch. Ein kleiner, mit einer Plastiktischdecke versehener Tisch war zum Morgentee eingedeckt.
»Der Kampf geht weiter. Ich helfe immer noch den Barradja«, sagte Beth. »Ardjani und ich haben ein paar Vorlesungen für die Universität ausgearbeitet und ein bisschen Geld verdient. Doch diesmal, denke ich, sind wir dabei, etwas Praktisches auszuklügeln, um ihre
land claims
voranzutreiben. Ich bin auf dem Weg zu einem Treffen mit den Ältesten.«
Esme schenkte Tee ein und brachte Beth beinahe ohne Luft zu holen auf den neuesten Stand, nicht nur was die wichtigen Personen von Kununurra betraf, sondern die des ganzen nördlichen Territoriums, vor allem des Nordwestens. Beth hatte aufgehört, sich darüber zu wundern, welch einflussreiches Netzwerk Esme allein über umfangreiches Briefeschreiben, Lesen, den Besuch von Lokalversammlungen und allgemeines Ohrenaufsperren aufgebaut hatte. Sie hatte sich in ihren letzten Jahren nicht zurückgezogen und trat furchtlos für ihre Ansichten und Handlungen ein, weil sie, wie sie Beth mitteilte, in diesem Stadium ihres Lebens nur noch wenig zu verlieren hatte.
»Da gibt es einen neuen Dorn im dünnen Fleische der lokalen Politik. Wenn du mich fragst, wird diese Frau, wenn sie denn an die Macht kommt, außer Kontrolle geraten«, verkündete Esme.
Beth biss in ein Gebäckstück. »Hm?«
»Shareen Beckridge. Kommt aus Campbelltown in Sydney. Verheiratet mit Bobby Beckridge, der hier den Caravan-Park geleitet hat. Nachdem er sich aus dem Staub gemacht hatte, hat sie den Platz verkauft und ein Weilchen eine Videothek und ein Steakhouse betrieben. Das Restaurant wurde dichtgemacht.«
»Nicht gut?«
»›Gammelfleischkantine‹ wurde es genannt. Hat einmal zu oft verfaultes Fleisch serviert, inklusive Känguru und Emu. Sie ist nicht gerade bekannt dafür, einen Dollar auszugeben, wenn sie ihn stattdessen in die eigene Tasche stecken kann.«
Beth fragte sich, wohin das Gespräch führte. Tratschen passte gar nicht zu Esme. Sie hatte keine Zeit für Belanglosigkeiten oder unnützes Geschwätz, zumal sie Beth gegenüber stets behauptet hatte, dass sie, solange sie etwas nicht selbst gesehen, gehört oder von einer unmittelbar beteiligten Person erfahren hatte, nichts aufs Hörensagen gab.
»Aber jetzt hat sie eine neue Karriere gestartet«, fuhr Esme fort.
Mit einem wissenden Lächeln blickte Beth auf. Jetzt war es Zeit für die Pointe. »Und was für eine?«
»Hat sich als Unabhängige zur Wahl als Parlamentsabgeordnete aufstellen lassen. Tritt hier möglicherweise gegen Bingo Robertson an.«
»Politik? Aber Bingo ist doch jedermanns Favorit. Sie wird keine große Chance haben. Warum tut sie das?«
»Sie behauptet, sie habe sich von Pauline Hanson von der rechtsgerichteten
One-Nation
-Partei inspirieren lassen, du weißt schon, diese Abgeordnete in Canberra, derentwegen das ganze Land über die Aborigines und Asiaten spricht. Ich habe Shareen bei Ratsversammlungen reden hören. Sie ist eine verbitterte, zornige Frau, die nicht nur die Probleme unserer Stadt, sondern die des gesamten Landes den Aborigines zu Lasten legt.«
»Wie bitte?« Beth brach in Gelächter aus. »Was für ein Unsinn. Wie ist sie denn zu dem Schluss gekommen?«
»Shareen ist keine Intellektuelle, aber sie ist schlau wie ein Fuchs. Und verschlagen.«
»Was hat sie vor?«
»Sie hat hier zwei Leute, die ihr den Rücken stärken. Einen Regierungsrat und einen querdenkenden Abgeordneten der
Labor
-Partei. Möglicherweise wird sie auch von ein paar Liberalen oder Angehörigen des rechten Flügels der
One-Nation
-Partei unterstützt. Sie hat jede Menge schlechte Kritiken in den Zeitungen bekommen, und wie ich gehört habe, war sie auch im Fernsehen.« Esme hielt nichts davon, die Welt in einem Kasten zu betrachten. »Die Dinge, die sie sagt, klingen vernünftig, so dass der radikale Unsinn unter ebendiesem Deckmäntelchen der Vernunft verborgen wird.«
»Dinge wie …?«
»Dass zu viel Geld für
Weitere Kostenlose Bücher