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Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)

Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Licht der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Missbrauchsopfern ist, deren früheres Familienleben nicht von Gewalt überschattet wurde.) Ein solcher Teufelskreis muss jedoch irgendwo einen Anfang haben. In Nell Channing Todds Fall begann und endete der Teufelskreis allem Anschein nach mit Evan Remington.
    Harding fuhr zu schreiben fort, aber seine Augen flackerten plötzlich. Seine Finger gruben sich in den Stift, und der Stift bohrte sich tief in das Papier.
    Elendes Miststück! Hure! Verbrennt die Hexe!
    Sie gekört mirmirmirmirmirmir.
    Blut. Tod. Rache. Die Rache ist mein, mein, mein.
    Er blätterte in rascher Folge die Seiten um, kritzelte wie wild Worte auf das Papier, während sein Blick hektisch hin und her schoss und sein Atem keuchend ging. Und die Schrift, die nicht seine eigene war, versengte fast das Papier.
    Sie müssen sterben. Sie ALLE müssen sterben. Und ich werde endlich wieder leben.
    Als er wieder zu sich kam, war sein Notizbuch ordentlich
zugeklappt, sein Stift beiseite gelegt. Und er trank ruhig seinen Kaffee, während er zum Fenster hinausblickte und seinen Tag plante.
    Er dachte, dass es vielleicht ratsam wäre, einen schönen langen Spaziergang zu machen, sich eine Weile draußen an der frischen Luft zu bewegen. Er könnte einen Erkundungsgang über die Insel machen, mehrere von Evan Remington beschriebene Orte aufsuchen – und dabei einen genaueren Blick auf das Cottage werfen, in dem Nell nach ihrer Ankunft auf Three Sisters eine Zeit lang gewohnt hatte.
    Angenehm gesättigt – und erfreut darüber, dass es dazu nicht mehr als ein weich gekochtes Ei und zwei Scheiben Weizenvollkorntoast gebraucht hatte –, räumte Harding sein Notizbuch weg, nahm ein neues aus dem Koffer. Er steckte es zusammen mit einem kleinen Kassettenrecorder und einer Kamera in seine Taschen und verließ das Hotel.
    Er erinnerte sich an nichts von dem, was er geschrieben hatte, und auch nicht an die Blutgier, die ihn beim Schreiben urplötzlich gepackt hatte.

19
    Einsam stand das kleine gelbe Cottage am Rande des Waldes. Die Bäume waren kahl und dunkel und warfen kurze Schatten auf den Boden. Zwischen ihnen herrschte vollkommene Stille.
    Zarte Spitzenvorhänge hingen vor den Fenstern des Cottage, und die Scheiben glitzerten in dem strahlenden Sonnenlicht so klar wie Eis. Zu beiden Seiten der Haustür schlief der Garten unter einer dunklen Decke aus Torf.
    Nichts rührte sich. Nicht ein Halm Wintergras, nicht ein einziges verdorrtes braunes Blatt. Es schienen überhaupt keine
Geräusche zu existieren, obwohl die See nahe war und das Dorf gleich dahinter lag. Während er so dastand und auf das Haus am Wald starrte, hatte Harding das Gefühl, als betrachtete er ein Foto, das von jemand anderem aufgenommen worden war. Eine Momentaufnahme, die ihm aus Gründen, die er nicht kannte, überreicht worden war.
    Ganz plötzlich überlief ihn ein kalter Schauder, bohrte sich wie ein dünner, eisiger Finger in sein Rückgrat. Sein Körper erzitterte, und sein Atem ging in schnellen, keuchenden Zügen. Er taumelte einen Schritt rückwärts, aber es schien, als prallte er gegen eine Wand. Und er konnte nicht kehrtmachen und einfach davonlaufen, wie er es sich doch plötzlich so sehnlich wünschte.
    Und dann, ebenso schnell, wie es gekommen war, legte sich das seltsame Gefühl wieder. Er stand lediglich am Straßenrand und betrachtete ein hübsches kleines Haus, das am Rande eines winterlichen Waldes lag.
    Er beschloss jedoch, als er einen zittrigen Schritt vorwärts tat, dass er sich einmal von Kopf bis Fuß untersuchen lassen würde, sobald er wieder auf dem Festland war. Auf ihm lastete ganz offensichtlich mehr Stress, als ihm bewusst war. Und sobald er alle Hintergrundinformationen und Recherchen für sein Buch zusammengetragen hatte, wollte er auch unbedingt einmal Urlaub machen. Nur ein oder zwei Wochen, um sich wieder zu sammeln und seine inneren Batterien aufzuladen, bevor er an die anspruchsvolle Arbeit des Schreibens ging. Durch diesen Gedanken aufgemuntert, schritt er weiter dem Wald entgegen. Nun konnte er auf einmal Geräusche hören – den gedämpften und regelmäßigen Herzschlag des Meeres, den sorglosen Schrei der Vögel, das leise Rauschen des Windes durch kahle Äste, ein Laut, der an das Rascheln von Bettdecken erinnerte.
    Er schüttelte den Kopf, während er zwischen den Bäumen hindurchging, und betrachtete die Einsamkeit der Natur mit
der misstrauischen Aufmerksamkeit eines überzeugten Großstädters. Warum irgendjemand es vorziehen würde, an

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