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Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)

Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Licht der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Tafel mit der Speisekarte stieren sah, und eilte dann zu ihm.
    »Mr Harding, was ist passiert? Ist alles in Ordnung mit Ihnen?« Er starrte sie geistesabwesend an – er starrt geradewegs durch mich hindurch, dachte Nell. Sein Blick war von einer seltsamen Leere erfüllt.
    »Was?«, fragte er verwirrt.
    »Sie sollten sich besser hinsetzen.« Rasch stellte sie das Geschirr auf dem Tresen ab und griff nach seinem Arm. Sie führte ihn um den Tresen herum und nach hinten in die Küche hinein. Als er kraftlos auf den Stuhl niedersank, den sie ihm hingeschoben hatte, ging sie eilig zur Spüle, um ein Glas mit Wasser zu füllen. »Was ist passiert?«
    »Ich weiß es nicht.« Dankbar nahm er das Glas entgegen
und trank gierig das kalte Wasser. Seine Kehle fühlte sich wund und kratzig an, als wäre sie mit heißen Nadeln durchbohrt worden.
    »Ich werde Ihnen einen Tee zubereiten und etwas Hühnerbrühe.« Er nickte nur schweigend und starrte auf seine Hände. Er hatte ganz schmutzige Nägel, als ob er im Dreck gegraben hätte. Die Knöchel waren aufgeschürft, die Handkanten zerkratzt.
    Er sah, dass seine Hose mit Flecken von feuchter Erde übersät war, seine Schuhe schmutzverkrustet. Kleine Stücke von abgebrochenen Zweigen und Dornengestrüpp hatten sich in seinem Pullover verfangen.
    Es war ihm peinlich, sich in einem derart schmutzigen, unordentlichen Zustand wiederzufinden, ausgerechnet er, der so pingelig war und so viel Wert auf ein gepflegtes Äußeres legte. »Könnte ich mir mal eben … die Hände waschen?«
    »Ja, natürlich.« Nell warf ihm einen besorgten Blick über ihre Schulter zu. Ein roter Striemen, ähnlich wie Sonnenbrand, bedeckte die Hälfte seines Gesichts. Die Brandwunde sah scheußlich aus, geradezu beängstigend.
    Sie schöpfte Hühnerbrühe in eine Tasse und goss Tee auf, während Harding an der Spüle stand und sich die Hände schrubbte, als ob er ganze Hautschichten abrubbeln wollte.
    »Mr Harding.« Sie sprach jetzt ganz sanft und berührte ihn an der Schulter. »Bitte setzen Sie sich hin. Es geht Ihnen offensichtlich nicht gut.«
    »Nein, ich …« Ihm war leicht übel. »Ich muss wohl gestürzt sein.« Er blinzelte verwirrt. Wieso konnte er sich überhaupt nicht erinnern? Er hatte doch bloß an einem strahlenden Winternachmittag einen Spaziergang durch den Wald unternommen. Doch er konnte sich an nichts erinnern.
    Er ließ sich von Nell umsorgen, so wie sich nur die ganz Jungen und die ganz Alten umsorgen ließen. Er löffelte die
warme, wohltuende Suppe, die seine schmerzende Kehle und seinen unruhigen Magen beruhigte.
    Er trank den Kräutertee, der mit einem großzügigen Schuss Honig gesüßt war.
    Und er schwelgte in der angenehmen Stille, die sie ihm gönnte, während er sich langsam wieder beruhigte.
    »Ich muss wohl gestürzt sein«, sagte er erneut. »Ich habe mich in letzter Zeit nicht so ganz wohl gefühlt.«
    Die Düfte in der Küche waren so köstlich, Nells Bewegungen, als sie weitere Bestellungen annahm und ausführte, so voller Anmut und Effizienz, dass seine Angst langsam abebbte.
    Er erinnerte sich an die Nachforschungen, die er über sie angestellt hatte, und an die Bewunderung, die er für sie empfunden hatte, als er ihrer Spur quer durch das Land gefolgt war. Ich werde eine sehr schöne Story über sie schreiben, dachte er. Ein Buch, das von Mut und Triumph erzählte.
    Undankbare Schlampe. Diese Worte hallten plötzlich wie ein schwaches Echo in seinem Kopf wider und ließen ihn erzittern. Nell betrachtete ihn besorgt. »Sie sollten besser ins Krankenhaus fahren.«
    Er schüttelte nur den Kopf, brachte jetzt jedoch wieder ein mattes Lächeln zu Stande. »Ich gehe lieber zu meinem Hausarzt. Aber ich weiß Ihre Besorgnis zu schätzen, Mrs Todd. Und Ihre Freundlichkeit.«
    »Ich habe etwas gegen diese Brandwunde da.«
    »Brandwunde?«
    »Einen Moment, ich bin gleich wieder da.« Sie verließ die Küche und sprach kurz mit Peg, die gerade zu ihrer Schicht erschienen war. Als Nell wieder zurückkehrte, öffnete sie ein kleines Schränkchen und nahm eine schlanke grüne Flasche heraus.
    »Es besteht hauptsächlich aus Aloe«, erklärte sie Harding kurz. »Das wird helfen.«
    Er hob eine Hand an sein Gesicht, riss sie aber sofort wieder zurück. »Ich muss wohl … die Sonne ist sehr trügerisch«, beendete er seinen Satz. »Mrs Todd, ich sollte Ihnen jetzt besser sagen, dass ich zu dem speziellen Zweck auf die Insel gekommen bin, um mich mit Ihnen zu unterhalten.«
    »Ja.«

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