Im Licht der Sterne: Roman (German Edition)
der Seite war ein Tresen mit einer Glasvitrine, die eine beeindruckende Kuchen- und Sandwich-Auswahl und einen Topf mit der Tagessuppe offerierte. Die Preise waren eher hoch, aber nicht unmäßig. Nell entschied sich, eine Tagessuppe und einen Kaffee zu bestellen.
Beim Näherkommen hörte sie Stimmen aus der offenen Tür hinter dem Tresen.
»Jane, das ist lächerlich und absolut unverantwortlich.«
»Ist es nicht. Es ist Tims große Chance, und es ist eine Möglichkeit, diese verdammte Insel verlassen zu können. Wir werden es machen.«
»Ein eventuelles Vorsprechen für ein Stück, das vielleicht, vielleicht aber auch nicht in irgendeinem Szene-Theater aufgeführt werden wird, ist keine große Chance. Keiner von euch hat einen Job. Ihr werdet …«
»Wir gehen, Mia. Ich habe dir gesagt, dass ich bis heute Mittag arbeiten werde, und ich habe bis heute Mittag gearbeitet.«
»Du hast mir das vor weniger als vierundzwanzig Stunden gesagt.«
Die Stimme klang genervt – eine tiefe, schöne Stimme. Nell konnte nicht widerstehen und schlich leise etwas näher.
»Wie zum Teufel soll ich das Café führen ohne Köchin?«
»Es geht immer um dich, nicht wahr? Du kannst uns nicht mal Glück wünschen.«
»Jane, ich wünsche euch ein Wunder, weil ihr genau das brauchen werdet. Nein, warte, geh nicht im Zorn, begraben wir den Streit.«
Nell nahm eine Bewegung im Türrahmen wahr und trat beiseite. Aber sie blieb in Hörweite.
»Sei vorsichtig. Werde glücklich. Oh, verdammt. Ich drücke dir die Daumen, Jane.«
»Okay.« Es gab einen lauten Schniefer. »Es tut mir Leid, wirklich, es tut mir Leid, dich im Stich zu lassen. Aber Tim muss es einfach machen, und ich muss einfach bei Tim sein. Also … ich werde dich schrecklich vermissen, Mia. Ich schreibe dir.«
Nell konnte sich gerade noch hinter einem Bücherbord verstecken, als die weinende Frau aus der Tür stürmte und die Treppe hinunterrannte.
»Na, wunderbar.«
Nell spähte hervor, und ihre Augen weiteten sich in spontaner Bewunderung.
Die Frau, die im Türrahmen stand, war schlicht eine Offenbarung. Nell fiel kein treffenderes Wort für sie ein. Wallendes Haar in der Farbe von Herbstlaub fiel ihr rot und golden über die Schultern. Sie trug ein langes, blaues Kleid, und ihre nackten Arme schmückten Silberarmbänder an beiden Handgelenken. Ihre Augen, die zornig funkelten, waren grau wie Rauch und dominierten ein makelloses Gesicht. Feinmodellierte Wangenknochen, ein voller, großer Mund, sirenenrot geschminkt. Haut wie … Nell kannte den Ausdruck, Haut wie Alabaster, aber sie sah so etwas zum ersten Mal.
Die Frau war groß und gertenschlank, sie war rundherum perfekt.
Nell schaute hinüber zu den anderen Kunden, die sich im
Café aufhielten, um zu sehen, ob sie auch so hingerissen waren wie sie. Aber niemand schien von der Frau Notiz zu nehmen oder die Spannung, die von ihr ausging, zu bemerken.
Jetzt trat sie aus der Tür – und die bemerkenswerten grauen Augen nahmen Nell ins Visier. Nagelten sie regelrecht fest.
»Hallo. Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich habe … ich dachte … ich hätte gern einen Cappuccino und eine Tagessuppe. Bitte.«
Ärger flackerte auf in Mias Augen, und Nell hätte sich am liebsten wieder hinter dem Regal verkrochen. »Das mit der Suppe kriege ich gerade noch hin. Wir haben heute Krebs-Gemüsecremesuppe. Aber ich fürchte, die Bedienung der Espressomaschine übersteigt meine momentanen Fähigkeiten.«
Nell riskierte einen Blick auf die wunderschöne Maschine aus Kupfer und Messing und zitterte ein bisschen vor Aufregung. »Ich könnte mir selbst einen machen.«
»Sie können mit dieser Höllenmaschine umgehen?«
»Ja, das kann ich.«
Mia dachte darüber nach, dann winkte sie Nell mit einer Geste hinter den Tresen.
»Ich könnte Ihnen auch einen machen, wenn ich schon mal dabei bin.«
»Warum nicht?« Tapferer kleiner Hase, grübelte Mia, während sie Nell beim Hantieren an der Maschine beobachtete. Was hat dich denn vor meine Tür getrieben. »Sind Sie eine Rucksacktouristin?«
»Nein. Oh.« Nell errötete, als sie sich an ihren Rucksack erinnerte. »Nein, ich bin ein bisschen auf Entdeckungsreise.« Sie riskierte einen Blick in das perfekte Gesicht vor ihr und stellte fest, dass sie selber sorgfältig gemustert wurde. Sie konzentrierte sich wieder auf das Kaffeekochen. »Ich suche einen Job und ein Zimmer.«
»Aha.«
»Entschuldigen Sie, ich weiß, es war unhöflich, aber ich
habe Ihre … Unterhaltung
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