Im Licht des Blutmondes
pragmatisch. „Sie kann dich hören. Sie hat versucht ihre Augen zu öffnen, als du ihren Namen gesagt hast.“ Zacharias hielt Joleen ein wenig von sich weg und blickte in ihr regloses Gesicht. Als sein Atem ihre Haut streifte, ächzte Joleen erneut und ihre Augenlider flatterten wieder, doch sie schaffte es nicht, sie zu öffnen.
In diesem Augenblick fasste Zacharias einen Entschluss. Es war die einzig logische Lösung. Er hob sein Handgelenk an seine Lippen und biss hinein, ehe er es nahe an Joleens aufgesprungene Lippen führte.
„Joleen, Liebste. Du musst nicht sterben, wenn du nicht willst. Wenn du sterben willst, werde ich dich gehen lassen, aber wenn nicht, dann musst du trinken, hörst du?“ Zitternd hielt er sein Handgelenk noch näher an ihre Lippen und wartete. Joleen stöhnte erneut auf und ihr Körper krampfte plötzlich. Ihr Herz setzte einige Schläge aus, nahm, zu seiner Erleichterung, seine Arbeit mühsam wieder auf. Als seine Haut gegen ihre Lippen kam, öffnete Joleen leicht ihren Mund, und als sein Blut ihre Lippen benetzte, in ihren Mund lief, begann sie zu schlucken.
Vor Erleichterung bebend atmete er aus und konnte hören, wie auch die Mitglieder seiner Familie erleichtert durchatmeten. Plötzlich krampfte Joleen erneut, ihr Gesicht verzog sich schmerzhaft, ehe es vollkommen erschlaffte. Sie atmete nicht mehr. Ihr Herz machte noch zwei sehr angestrengte Schläge, dann verstummte es ebenfalls.
Joleen war tot.
***
D RITTER T EIL
V AMPIR
A LTERSLOS - J AHR 0
F AYN
Sie starrte auf ihren Cousin hinunter, der den leblosen Körper seiner Blutsklavin sanft in seinen Armen hin und her schaukelte. Keiner von ihnen konnte erahnen, was Joleen in den letzten Stunden hatte ertragen müssen, und niemand wusste, welchen Einfluss es auf ihren Geist nahm. Wenn sie zu sich kam, aber nicht mehr bei Verstand war, dann würden sie sie töten müssen. Agenta berührte sie sanft an der Schulter und Fayn zuckte zusammen.
„Niko“, flüsterte Agenta traurig und deutete auf einen kopflosen Körper. Fayn holte erschrocken Luft. Sie hatte gespürt, dass etwas mit ihrem Bruder nicht stimmte, aber das hatte sie nicht erwartet.
„Nein“, flüsterte sie erschüttert und ging auf den Körper ihres Bruders zu. Sie fiel neben ihm auf die Knie und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. „Oh Bruder“, hauchte sie traurig und schüttelte fassungslos den Kopf. Was war hier nur passiert? Sie hatten Joleen retten können, doch für Nikolas kam jede Hilfe zu spät. Sie richtete sich auf und sah ernst auf den kopflosen Leib hinunter. „Ich hoffe, dass du nun endlich Frieden findest, wo immer du auch sein magst.“
Agenta trat neben sie und legte ihr mitfühlend die Hand auf die Schulter. Die zarte Berührung ihrer Cousine spendete Fayn Trost.
„Ich bin sicher, dass er nun bei Theresa sein wird“, flüsterte Agenta voller Mitgefühl und Fayn nickte benommen.
Cirrus kam zu ihnen und legte etwas an den Stumpf von Nikolas‘ Hals. Fayn erkannte erst, als Cirrus seine Hände zitternd zurückzog, dass es sich um den Kopf handelte.
„Was ist nur passiert?“, hauchte Fayn erschrocken.
„Wir werden es herausfinden“, versprach Cirrus. „Und dann werden wir die Verantwortlichen bluten lassen.“ Seine Stimme klang wütend und zugleich untröstlich. Fayn stimmte ihm benommen zu. „Die Sonne geht bald auf, wir werden hier bleiben müssen“, erklärte Cirrus. Fayn erschauderte bei der Vorstellung.
„Vorher müssen wir die Bluthuren dort beseitigen“, mahnte sie. „Ich habe keine Lust, dass sie uns überfallen, während wir in unserer Starre sind.“
„Weise gesprochen Cousine“, stimmte Cirrus ihr zu und wandte sich dann von Nikolas‘ Leichnam ab. Fayn strich Nikolas sanft durchs Haar, dann stand sie auf und folgte Cirrus, der bereits damit angefangen hatte, den Bluthuren das Genick zu brechen.
Jeder von ihnen hatte eine der Bluthuren leergesaugt, ehe die Sonne aufging und sie sich zur Ruhe legten, um ihre Starre abzuwarten. Zacharias hatte Joleen nicht einen Augenblick losgelassen und auch, als sie sich hinlegten, drückte er ihren schlaffen, blutverschmierten Körper an sich. Er ließ niemanden an Joleen heran, lediglich Cirrus hatte ihm seinen Mantel geben dürfen, um Joleen damit zuzudecken. Wenn sie versuchten sich ihm zu nähern, knurrte er drohend, weswegen sie ihn allein ließen.
Fayn wäre es lieber gewesen, nach Hause zu fahren, denn hier
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