Im Licht des Blutmondes
ihren Fingern zerrissen war, hatte er nicht nur Joleens Zögern gespürt, sondern auch ihre Vorsicht und ihren Versuch, sich selbst zu zügeln.
„Du hast deine Sache sehr gut gemacht, Liebste“, erklärte er ihr. Auch das entsprach der Wahrheit. Nur selten überlebte eine Bluthure, wenn ein Vampir sich das erste Mal nährte, doch Joleen war ausgesprochen beherrscht gewesen. Sie hob ihren Kopf und sah ihm prüfend in die Augen. Er erwiderte ihren Blick ruhig. Er hatte solche Angst um sie gehabt, hatte befürchtet, dass sie nicht ausreichend Blut getrunken hatte. Doch nun lag sie hier, in seinen Armen und schien wohlauf.
Plötzlich huschte Sorge durch Joleens Augen. Er runzelte seine Stirn.
„Was ist los?“, fragte er ruhig. Joleen presste ihre Lippen aufeinander und senkte ihren Blick.
„Ich … können wir nach Lucia sehen?“, fragte sie leise. „Ich will sichergehen, dass es ihr gut geht. Außerdem muss ich mich noch bei ihr bedanken.“ Zacharias verzog nachdenklich sein Gesicht.
„Wofür bedanken?“, fragte er verwirrt. Er wollte Joleen schon klar machen, dass sie sich nicht bei der Blutsklavin bedanken musste, dass sie von ihr hatte trinken dürfen, doch dann sah er etwas in Joleens Augen, das ihn innehalten ließ.
„Dafür, dass sie mir verraten hat, wie ich mich schützen kann“, flüsterte Joleen sehr leise. „Ich glaube, wenn sie mir ihre Geschichte nicht erzählt hätte, hätte ich nicht durchhalten können.“ Und dann sah Joleen ihn plötzlich erschrocken an. „Nikolas!“, rief sie erschrocken und setzte sich auf.
Als sie fragend zu Zacharias sah, sah er sie traurig an, und schüttelte langsam seinen Kopf. Joleen verstand und schwere Trauer verschleierte ihren Blick.
„Es war nicht deine Schuld, Liebste“, erklärte er mit gedämpfter Stimme und setzte sich auf, um sie in seine Arme zu ziehen.
„Doch“, erwiderte Joleen überzeugt. „Wenn ich nicht die Geschenke für Tony ...“ Sie stockte und sah ihn wieder erschrocken an. Zacharias war froh, dass er wenigstens hier einigermaßen gute Nachrichten für Joleen hatte.
„Tony lebt noch“, erklärte er ruhig und Joleen entspannte sich ein wenig. Ihm selbst wurde bewusst, dass die Nacht heute wahrscheinlich viel zu kurz sein würde. Er kannte Joleen und war sich sicher, dass sie von dem starken Wunsch getrieben war, gleich alles auf einmal zu erledigen. Lucia aufsuchen, Tony aufsuchen, Nikolas betrauern, Zeit in seinen Armen verbringen.
Er würde ihr gerne die heutige Nacht geben, um sich an alles zu gewöhnen, doch sie würde nicht umhinkommen, mit zu der Besprechung seiner Familie zu kommen. Wieder wurde er von heftigen Wogen des Glücks durchströmt. Schließlich war sie nun ein Teil dieser Familie.
„Was hältst du davon?“, fragte er leise und schob sie ein kleines Stück von sich weg. „Du ziehst dich an, und ich bringe dich zu Tony. Du kannst ein wenig Zeit mit ihr verbringen, während ich den anderen sage, dass es dir besser geht.“ Joleen sah ihn lange an und biss sich dann auf ihre Unterlippe, zuckte zusammen, als ihre Reißzähne, die immer noch leicht ausgefahren waren, durch ihre Haut stachen.
„Kannst du nicht bei mir bleiben?“, bat sie zögernd. „Ich weiß nicht, ob ich mich beherrschen kann.“ Er wusste, was sie meinte. Sie war jung und hatte ihren Durst noch nicht unter Kontrolle. Sie nahm wahr, dass der Blutdurst sie beherrschen würde, bis sie lernte, ihn zu beherrschen. Er seufzte.
„Meine Familie wird auf einen Bericht warten. Wenn du dich dazu bereit erklärst, dich zuerst mit ihnen zu unterhalten, werde ich dich danach gerne zu Tony begleiten“, antwortete er. Er sah in Joleens Augen den Kampf, den sie in ihrem Inneren mit sich selbst führte.
„Okay“, flüsterte sie schließlich und dann lächelte sie ihn traurig an.
***
A GENTA
Schweigend und mit vor der Brust verschränkten Armen, betrachtete sie Cirrus, der den Hals seiner Blutsklavin behutsam abtastete. Das Mädchen war blass, doch sie wirkte entspannt und gelöst.
„Hat es dir gefallen?“, fragte Cirrus plötzlich mit einem lüsternen Glitzern in den Augen und selbst Agenta musste lächeln, als sie sah, wie sich die Wangen der Blutsklavin in einem verführerischen Rot färbten.
„Ja, Sir. Sogar sehr“, antwortete sie und sah ihm geradewegs in die Augen. Jede andere Blutsklavin hätte wahrscheinlich, peinlich berührt, ihren Blick gesenkt, doch der Blick dieses Mädchens war ruhig auf die Augen ihres Bruders gerichtet
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