Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
kennengelernt.
Es war ein schöner Tag im Spätherbst, es wehte eine warme Brise. Ihre Haare waren damals länger gewesen, oder? Ja, damals trug sie die Haare mehr als schulterlang und schlang sie normalerweise zum Knoten, um offizieller, professioneller zu wirken. Außerdem fand sie es sexy, abends die Haarnadeln zu lösen und die Locken offen zu tragen.
Ava lebte noch in irgendeinem Vorort. Carter ging auf die High School und war ein hoch aufgeschossener, schlaksiger Junge. Und Mamas Welt war auf wenige Häuserblocks geschrumpft, aber damals redete noch keiner darüber.
»Eine gescheiterte Entführung. Die Frau verließ die Säuglingsstation von Biloxi mit einem neugeborenen kleinen Mädchen. Sie war als Krankenschwester verkleidet. Sie nahm das Baby mit nach Savannah und gab es als ihr eigenes Kind aus. Für ihren Mann, der geglaubt hatte, sie sei ein paar Tage zu ihrer Schwester gefahren, kam das allerdings mehr als überraschend. Sie hatte ihm erzählt, dass sie das Baby gefunden hätte. Es sei ausgesetzt worden und ein Geschenk Gottes, da sie es in ihrer achtjährigen Ehe trotz sündteurer Fruchtbarkeitsbehandlungen nicht geschafft hatte, schwanger zu werden.«
»Und das hat er ihr abgenommen?«
»Nein, aber er hat sie geliebt.«
Sie hielt an einer roten Ampel. Über das Summen der Autoklimaanlage hinweg hörte sie Hufgetrappel und sah, dass ein berittener Polizist in den Park einbog.
»Er hatte schon in den Nachrichten von dem entführten Baby gehört und zählte zwei und zwei zusammen. Er versuchte, mit seiner Frau – Brenda Anne Falk, zweiunddreißig – zu reden. Sie wollte einfach nicht auf ihn hören. Sah er denn nicht, dass das Baby ihre Augen hatte? Er rief ihre Schwester an, die sie auf ihrer Fahrt in Richtung Süden nie besucht hatte, sowie ihre Eltern, die Angst hatten und sich Sorgen machten. Weil er nicht wusste, was er sonst machen sollte, versuchte er, ihr das Baby wegzunehmen.«
Phoebe hielt vor einem schicken Bürogebäude und fuhr mit ihrem Bericht fort, während sie mit Sykes den Bürgersteig entlangging. »Sie nahm den.32er-Revolver ihres Mannes, richtete ihn auf seinen Kopf und befahl ihm, das Baby hinzulegen. Es sei Zeit für seinen Mittagsschlaf.«
»Völlig gaga.«
»Das kann man wohl sagen.« Im Gebäude drückte Phoebe den Knopf für den Lift. »Er hatte Angst, das Baby könnte verletzt werden, also legte er es hin und versuchte, mit seiner Frau zu reden, die daraufhin auf ihn schoss. Zum Glück traf sie nur seinen Bizeps – ein glatter Durchschuss. Sie schloss sich mit dem Baby ein und schob die Kommode vor die Tür. Er rief die Telefonnummer an, die er in den Nachrichten gesehen hatte. Kurz darauf traf ich als Verhandlerin ein.«
»Hat es das Baby geschafft?«
»Ja, dem Baby ist nichts passiert. Es hat geschrien und muss zu diesem Zeitpunkt Hunger gehabt haben, aber ihm wurde kein Haar gekrümmt.« Sie konnte es hören, merkte Phoebe. Sie konnte hören, wie das Baby in ihrem Kopf weinte. »Aber Brenda Anne Falk hat es nicht geschafft. Nachdem ich über zwei Stunden mit ihr verhandelt hatte und eigentlich dachte, zu ihr durchgedrungen zu sein, sagte sie mir, es sei wohl an der Zeit, aufzugeben. Aber damit meinte sie, sich den.32er an den Kopf zu halten und abzudrücken.«
Sie verließ den Lift, las die Namen auf den Türen im Gang und öffnete eine, auf der COMPASS TRAVEL stand.
Es war ein kleines Büro mit zwei einander gegenüberstehenden Schreibtischen und einem langen Tresen dahinter. Es gab Ständer mit jeder Menge Broschüren, während die Wände große Poster mit exotischen Reisezielen zierten.
Sie erkannte den Mann sofort wieder, obwohl sein Haar dünner geworden war und eine Brille auf seiner Nase saß. Er gab gerade etwas in einen Computer ein, aber Phoebe schüttelte nur den Kopf, als die Frau am Tresen sie fragend ansah, und ging gleich zu Falks Schreibtisch hinüber.
»Entschuldigen Sie, sind Sie Mr. Falk?«
»Jawohl, der bin ich. Ich kümmere mich gleich um Sie, wenn Sie kurz warten können. Oder aber Charlotte wird Ihnen helfen.«
»Es tut mir leid, Mr. Falk, aber ich muss mit Ihnen sprechen.« Phoebe zeigte ihre Dienstmarke.
»Oh. Verstehe. Was kann ich für Sie …«
Sie sah, wie seine Verwirrung dem Schock des Wiedererkennens wich und sein Gesicht von Trauer überschattet wurde.
»Ich kenne Sie«, sagte er. »Sie haben … Sie haben mit Brenda gesprochen, als …«
»Ja, das war ich. Ich habe damals beim FBI gearbeitet. Ich bin Phoebe
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