Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
und die Bevölkerung, weil wir tatenlos zugesehen haben beziehungsweise nicht erlaubt haben, dass eingeschritten wurde. Wir haben uns der Feigheit schuldig gemacht, und genau darum geht es auch in dem Film.«
»Du warst weder schuldig noch feige«, sagte Dave.
»Aber in seinen Augen bin ich beides. Seit drei Jahren ist er wie besessen von dieser Vorstellung. In diesem Zeitraum kann man so manches aushecken. Lancelot setzte nicht nur dem allmächtigen König Hörner auf, sondern war auch Guineveres Held. Er rettete sie, als Arthur nicht konnte oder wollte. Dieser Typ sieht sich als Held, und vor allem als Angelas Held. Er kann das Scheitern, das Schicksal einfach nicht akzeptieren. Irgendjemand muss an allem schuld sein. Und das bin ich. Und dann das Grab, auf dem er Roy umgebracht hat. Jocelyn Ambuceau war eine junge zukünftige Braut. Sie starb wenige Tage vor der Hochzeit und ertrank bei einem Unwetter im Fluss. Man erzählt sich, dass sie dabei war, zu ihrem Liebhaber nach Tybee Island zu fliehen, anstatt sich in die von ihrem Vater arrangierte Ehe zu fügen. Er hat eine Schwäche für Symbolik – der Engel, der über dem Grab wachte; das Grab einer Frau, die zu ihrer einzig wahren Liebe flieht; die rosa Rosen. Es macht ihm Spaß, mir den ein oder anderen Anhaltspunkt zu geben. Letztendlich möchte er schon, dass ich begreife, warum das alles passiert. Ich muss es begreifen, damit sein Plan die volle Wirkung entfalten kann.«
»Ich werd dir die infrage kommenden Namen besorgen.«
»Joshua Brentine wird auf gar keinen Fall zugeben, dass ihn seine Frau betrogen hat. Das ist beleidigend und erniedrigend. Sein Stolz ist ihm wichtiger als das Leben zweier Unbekannter oder möglicher neuer Opfer.«
»Zugeben ist etwas anderes als bestätigen.« Dave legte den Kopf schräg. »Er muss glauben, dass du ohnehin Bescheid weißt.«
Sie lächelte. »Du hast recht, danke für den Hinweis. Ich kann ihm bestimmt weismachen, dass ich mehr Informationen habe, als das tatsächlich der Fall ist.«
»Ich werde kurz anrufen und nachhören, wie lange es dauert, bis wir die Informationen haben, die du benötigst.«
»Danke. Und ich werde in der Zwischenzeit kurz zu Hause anrufen und ihnen sagen, dass es spät werden kann.«
Sie ging hinaus und hatte soeben ihr Handy hervorgeholt, als Dave den Kopf aus seinem Büro steckte. »In der Personalabteilung sind die Computer ausgefallen. Es wurde anscheinend erst vor Kurzem eine neue Software installiert. Es kann also durchaus noch mehrere Stunden dauern.«
»Meine Güte, gibt es denn keine herkömmlichen Personalakten mehr?«
»Die durchzugehen dauert bestimmt länger, als zu warten, bis die Technik das Computerproblem behoben hat. Fahr nach Hause, besuch deine Familie, iss was zu Abend. Sie geben mir sofort Bescheid, sobald das System wieder gestartet wurde.«
»Na gut, einverstanden. Warum begleitest du mich nicht? Dann könntest du mit uns zu Abend essen?«
Das klang verführerisch, aber sie sah erschöpft aus. »Lieber ein andermal. Ich werde mich selbst kurz zu Hause bei einem Bier und einem Fußballspiel ausruhen. Wenn du recht hast, haben wir den Durchbruch fast erreicht, und zwar bald. Geh heim, und komm wieder ein bisschen zu Kräften.«
Schon beim Verlassen des Reviers verfluchte sich Dave dafür, dass er Phoebe nicht gebeten hatte, ihn nach Hause zu fahren. Obwohl es nur drei Blocks waren, konnte er von Glück sagen, wenn er nach Hause kam, bevor das Unwetter losbrach.
Und er ärgerte sich auch, dass er die Einladung zum Abendessen ausgeschlagen hatte. Er hätte gern mit eigenen Augen gesehen, wie es Ava ging. Er hätte gern …
Schlechtes Timing, wieder einmal, sagte er sich. Sie, ja sie alle befanden sich mitten in einer Krisensituation.
Sie war verlobt gewesen, als er ihr das erste Mal begegnete. Er hätte sich nie in sie verlieben dürfen. Aber er hatte es trotzdem getan. Er hatte allerdings nichts weiter unternommen, erinnerte er sich, während er die Schultern hochzog, um sich gegen den Sturm zu schützen. Er war ein Freund der Familie geblieben, der gute alte Dave.
Nachdem sie bereits mehrere Jahre verheiratet war und ein Kind hatte, hatte er sich eingeredet, nicht mehr in sie verliebt zu sein. Er hatte sich eingeredet, dass es vorbei wäre, und selbst geheiratet.
Und dann ließ sich Ava scheiden.
Schlechtes Timing auf ganzer Linie. Sofort quälten ihn riesige Schuldgefühle. Denn sosehr er sich auch einredete, dass er seine Ehe retten wollte, sosehr
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