Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
mehr reden, sondern handeln wollte. »Brauchen Sie oder jemand anders irgendwas? Medizinische Hilfe? Wasser? Vielleicht etwas zu essen?«
»Ich wollte mein Geld zurück.«
»Sie wollten Ihr Geld zurück. Erzählen Sie mir doch bitte davon, Mr. Gradey, vielleicht kann ich Ihnen helfen.« Sie notierte, benutzt die Vergangenheitsform .
»Das hab ich alles schon erzählt, aber niemand hat mir zugehört.«
»Niemand hat Ihnen zugehört. Sie klingen verärgert deswegen, und das kann ich gut verstehen. Ich entschuldige mich dafür, dass Sie den Eindruck hatten, dass man Ihr Problem nicht ernst nimmt. Aber jetzt bin ich da, und ich höre Ihnen zu, Mr. Gradey. Ich möchte, dass wir gemeinsam eine Lösung finden.«
»Es ist zu spät. Es ist vorbei.«
Sie hörte den Schuss bereits in der Sekunde in ihrem Kopf dröhnen, bevor er die Luft zerriss. Sie hörte ihn in seiner Stimme.
Der Anwalt hatte eine leichte Gehirnerschütterung sowie ein paar blaue Flecke. Die Sekretärin erlitt einen hysterischen Anfall, blieb aber unverletzt. William Gradey war tot, aufgrund einer selbst beigebrachten Schusswunde in seinem Kopf.
»Gut verhandelt«, bemerkte Arnie hinter ihr.
Sie drehte sich im Zeitlupentempo um und starrte ihn an. »Sie arrogantes Arschloch.«
»Er hat sich erschossen, während Sie mit ihm gesprochen haben, nicht ich.« Mit seinem typischen Grinsen im Gesicht stolzierte Arnie davon.
Sie zwang sich, ihm nicht nachzugehen, nicht jetzt, wo sie dermaßen wütend war und hinterher noch etwas tat, was sie anschließend bereuen würde. Deshalb stand Phoebe einfach nur da und sah zu, wie die Spurensicherung in das Gebäude ging und wieder herauskam.
Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter.
»Hier gibt es nichts mehr für dich zu tun«, sagte Dave.
»Ich hatte nicht die geringste Chance. Gerade mal ein, zwei Minuten. Es war schon vorbei, bevor ich herkam. Ich konnte ihn nicht mehr zurückholen.«
»Phoebe.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt, bitte. Ich möchte die Geiseln befragen und Zeugenaussagen aufnehmen.« Sie drehte sich um. »Ich will, dass alle Aussagen protokolliert werden, und ich will, dass du dabei bist.«
»Wir wissen doch beide ganz genau, dass manchmal jemand den Löffel abgibt.«
»Ob das in diesem Fall allerdings wirklich notwendig war, möchte ich stark bezweifeln.« Sie zitterte beinahe vor Wut, konnte sich jedoch gerade noch beherrschen. »Aber das werde ich noch herausfinden. Die Geiseln sind gerade auf dem Weg ins Krankenhaus, die Frau schien mir aber unverletzt zu sein. Sie kann reden. Ich möchte, dass du jetzt mitkommst und wir mit ihr reden.«
»Von mir aus. Vielleicht willst du ja mit dem Polizeipsychologen sprechen. Wenn man jemanden verliert …«
»Ich habe ihn nicht verloren, das weiß ich genau.« Sie biss sich auf die Zunge, und beide spürten, dass sie kurz davor war, die Kontrolle zu verlieren. »Ich hatte ihn gar nicht erst.«
Auf dem Weg zum Krankenhaus sprach sie kein Wort, und Dave drängte sie auch nicht dazu. Während sie schwiegen, starrte sie aus dem Fenster und überlegte sich die Fragen, die sie stellen wollte, den Tonfall, in dem dies geschehen musste, um ihren Nachweis führen zu können.
Tracey Percell lag auf einer Trage auf der Erste-Hilfe-Station. Sie war jung, gerade volljährig geworden. Eine üppige junge Blondine, die dringend mal wieder zum Haarefärben musste. In ihren rot verquollenen Augen standen Tränen, während sie an ihrem Daumennagel kaute.
»Er hat sich erschossen. Er hat sich direkt vor unseren Augen erschossen.«
»Sie haben eine schreckliche Erfahrung gemacht. Vielleicht hilft es Ihnen, darüber zu reden, womit Sie uns in jedem Fall helfen. Meinen Sie, dass Sie das schaffen, Tracey?«
»Ja. Ich habe hyperventiliert, hieß es. Ich war ohnmächtig. Sie meinten, ich soll noch eine Weile liegen bleiben, aber er hat mir nichts getan. Ich hab wirklich Glück gehabt, dass er mir nichts getan hat. Er hat Jasper einen Stoß versetzt und mit seiner Waffe direkt auf sein Gesicht gezielt. Und dann …«
»Sie müssen unglaubliche Angst gehabt haben.« Phoebe setzte sich zu ihr und tätschelte Traceys Hand, bevor sie ihr Aufnahmegerät herausholte. »Sind Sie einverstanden, dass ich unser Gespräch aufzeichne?«
»Natürlich. Sie haben gesagt, man würde meinen Freund Brad anrufen. Brad wird gleich hier sein.«
»Das ist gut. Wenn er nicht hier ist, bevor wir gehen, werde ich selbst nach Brad suchen, einverstanden?«
»Danke. Danke.«
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