Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
genauso gut bei einem Tütchen Erdnüsse im Pausenraum tun. Vielleicht hat Mr. Niedlich ja einen netten Freund.«
»Ich frag ihn mal.«
»Ich bin noch zu haben.«
Zu Hause angekommen, sah Phoebe einen Mann vor ihrer Einfahrt die Straße entlangschlendern. Er grüßte Mrs. Tiffany, indem er die Hand an den Schirm seiner Baseballmütze legte. Über seiner dunkelblauen Windjacke hing eine Kamera, die auf seiner Hüfte ruhte. Ein Tourist, dachte Phoebe träge, obwohl er ihr irgendwie bekannt vorkam.
Phoebe lief die Treppe hoch. Sie sah nicht, wie der Mann sich umdrehte, die Kamera hob und den Sucher auf sie richtete. Als sie ein Kitzeln am Ende ihrer Wirbelsäule spürte, sah sie sich kurz um. Aber er schlenderte lässig weiter. Sie konnte ihn pfeifen hören, eine langsame, traurige Melodie, die ihr ebenfalls bekannt vorkam.
Keine Ahnung, warum sie davon Gänsehaut bekam.
13
Sie würde kein schlechtes Gewissen haben, nur weil sie den Sonntagabend nicht zu Hause mit ihrer Familie verbrachte, dachte sie, während sie am Morgen mit Carly im Bett kuschelte.
Was hatte sie nur getan, um so ein perfektes, kostbares Kind zu verdienen?, fragte sich Phoebe. Wie schaffte sie es nur, nicht jede freie Minute mit diesem unglaublichen kleinen Mädchen zu verbringen?
Doch als sie dann später mit Carly aneinandergeriet, weil diese unbedingt die lila Schmetterlingssandalen wollte, die sie in einem der Versandhauskataloge ihrer Großmutter gesehen hatte, fragte sich Phoebe, wie sie es wagen konnte, dieses Wesen mit den winzigen Füßen auch nur für zehn Minuten aus den Augen zu lassen.
Aber sie würde kein schlechtes Gewissen haben.
Und ging Carly nicht ohnehin auf eine Geburtstagsparty ihrer derzeitigen besten Freundin? Hatte Ava nicht bereits versprochen, sie dort abzusetzen und anschließend wieder abzuholen, während sie sich in der Zwischenzeit eine Gartenschau ansah?
Und Mama? Nun, Mama war so damit beschäftigt, neue Muster zu entwerfen und Wolle und Garn zu bestellen, dass sie es kaum bemerkt hätte, wenn Phoebe übers Wochenende nach Antigua geflogen wäre.
Sie brauchte wirklich kein schlechtes Gewissen zu haben.
Und trotzdem hatte sie Gewissensbisse, als sie Carlys glänzendes Haar bürstete und ihr half, die perfekten Haarklammern auszuwählen. Sie kämpfte dagegen an, während sie Carlys kluge Wahl lobte, die, nachdem sie etliche verworfen hatte, endlich die richtigen gefunden hatte.
Als sie auf der vorderen Veranda stand und Ava und ihrem topmodischen kleinen Mädchen zum Abschied winkte, machte sich ihr Gewissen erneut bemerkbar.
Sie ging zurück ins Haus und beeilte sich, nach ihrer Mutter zu sehen. Sie war am Chatten, die schönste Beschäftigung für einen Agoraphobiker. Schweigend lehnte sich Phoebe gegen den Türrahmen und sah zu, wie die Finger ihrer Mutter über die Tastatur huschten und ihre Augen fröhlich funkelten. Wenigstens eine sichere Möglichkeit, Kontakt zur Außenwelt zu pflegen. Gut, dass es das Internet gab. Wenn ihre Mutter schon nicht hinaus in die Welt konnte, kam die Welt mithilfe des Computers doch zu ihr.
»Hallo, meine Liebe.« Essies Finger verharrten über der Tastatur, als sie Phoebe entdeckte. »Brauchst du irgendetwas?«
»Nein. Nein, ich wollte nur kurz reinschauen, um dir zu sagen, dass ich hochgehe und etwas Sport mache. Anschließend ziehe ich mich zum Ausgehen um.«
Essie lächelte, und ihre Grübchen wurden immer tiefer. »Mit Duncan.«
»Wir gehen auf ein Grillfest zu Freunden von ihm.«
»Dann amüsier dich gut, und vergiss die Blumen nicht, die du in den leeren Kühlschrank gelegt hast.«
»Nein, keine Sorge.«
»Und zieh dein grünes Sommerkleid an«, rief Essie Phoebe hinterher, die sich bereits zur Tür wandte. »Zeig deine hübschen Schultern. Du trainierst sie schließlich hart genug.«
Phoebe brauchte länger als gewöhnlich, um sich zurechtzumachen, wenn auch nicht so lange wie Carly, die Modeprinzessin, für ihren Kindergeburtstag. Die erste Belohnung für ihre Mühe war das strahlende Lächeln, das ihre Mutter ihr schenkte, als sie kurz darauf in Essies Zimmer vorbeischaute.
Essie war jetzt nicht mehr im Chatroom, sondern machte Entwürfe, hörte jedoch sofort damit auf, als sich Phoebe in der Tür um ihre eigene Achse drehte. »Und?«
»O Phoebe, du siehst bildschön aus!«
»Ist das nicht zu übertrieben?«
»Schätzchen, das ist ein ganz schlichtes Kleid und genau richtig für eine Grillparty. Aber es steht dir nun mal ausgezeichnet. Du
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