Im Licht von Apfelbäumen | Roman
nächste Tätlichkeit plante. Es war gleichgültig, ob ihr die Mittel dafür zu fehlen schienen; so hatte es auch beim ersten Mal ausgesehen, und wie viel Schaden hatte sie trotzdem angerichtet. Er war im Begriff gewesen, seinen Verdacht mit dem Richter zu teilen, doch nun hielt er es doch für besser, solche Gedanken für sich zu behalten, um Della nicht in ein noch schlechteres Licht zu rücken.
Sobald der Amtsrichter Bescheid weiß …, sagte er.
Er weiß nichts davon? Haben Sie es ihm denn nicht gesagt? Der Richter sah ihn entsetzt an.
Talmadge schaute weg. Das Mädchen wollte es ihm selbst sagen, und ich dachte, das wäre das Beste …
Der Richter schwieg nachdenklich. Er blickte auf seinen Schreibtisch, berührte ein paar Papiere, die dort lagen.
Ich werde den Antrag stellen, dass einer von beiden verlegt wird. Sie können ihn mitnehmen, wenn Sie wieder hinfahren. Geben Sie ihn dem Amtsrichter, nachdem er erfahren hat, welche Beziehung zwischen den beiden besteht. Er machte eine Pause. Wir stehen dabei nicht auf festem Boden. Aber ein Versuch wird wohl nicht schaden.
Irgendetwas müssen wir tun, sagte Talmadge.
Als Talmadge am Tag zuvor nicht aus dem Zug gekommen war, hatten Angelene und Caroline Middey im Wagen gesessen und auf ihn gewartet. Sie hatten besprochen, ob eine von ihnen einen Bahnangestellten nach ihm fragen sollte. Aber vielleicht hatte Talmadge auch beschlossen, einen späteren Zug zu nehmen. Das war möglich. Und während sie so dasaßen und überlegten, was sie tun sollten, wurde Angelene plötzlich von einer nervösen Angst gepackt, und sie stieg aus dem Wagen. Sie sei gleich wieder da, sagte sie über die Schulter hinweg zu Caroline Middey.
Zusammen mit dem erstaunten Gepäckträger stieg sie in den Zug. Erklärte ihm kurz, was sie vorhatte. Wen sie suchte.
Der Gepäckträger führte sie durch den ganzen Waggon, öffnete dann eine schmale Tür und half ihr über den Rost der Plattform in den nächsten. Und von dort in den übernächsten.
Ich habe ihn gefragt, ob er Hilfe braucht, sagte der Gepäckträger, aber er wollte anscheinend lieber in Ruhe gelassen werden, ich dachte, ich lasse ihn noch eine Weile hier sitzen, stört ja keinen, der Zug fährt erst in zwei Stunden weiter …
Sie sah Talmadge sofort, als sie den dritten Waggon betraten. Er saß ein paar Reihen weiter vorne auf der linken Seite am Fenster und schlief.
Sie berührte ihn an der Schulter. Talmadge.
Er regte sich. Nachdem er die Augen aufgemacht hatte, blieb er einen Moment still sitzen und blickte aus dem Fenster, bevor er tief seufzte und sich ein wenig aufsetzte. Sind wir schon da?
Angelene sprach mit dem Gepäckträger: Vor dem Bahnhof wartet eine ältere Frau in einem Wagen … sie hat einen Strohhut auf, mit grünem Band. Bitte holen Sie sie her, sagen Sie ihr, ich brauche ihre Hilfe.
Der Gepäckträger erbot sich, Talmadge aus dem Zug zu begleiten.
Schon gut, sagte Angelene und schüttelte den Kopf. Wir schaffen das allein.
Der Gepäckträger ging los.
Caroline Middey hievte sich in den Waggon, mit einer Hand ihren Hut festhaltend, damit er nicht herunterfiel, und spähte den Gang hinunter.
Da bist du …
Gemeinsam halfen sie und Angelene Talmadge aus dem Zug.
Angelene und Talmadge blieben in dieser und der folgenden Nacht bei Caroline Middey. Talmadge saß meistens mit einer Steppdecke über den Beinen in einem der Korbstühle auf der Veranda. (Trotz Juli mit einer Steppdecke über den Beinen. Angelene selbst hatte ständig einen feuchten Kopf, der Schweiß lief ihr am Rückgrat herunter, wenn sie mit ihrem Einkaufskorb am Arm langsam durch die Stadt ging. Das beunruhigte sie am meisten: nicht, dass er zu schwach gewesen war, allein aus dem Zug zu steigen, sondern dieses Bild von ihm auf der Veranda, im Juli, mit einer Decke über den Beinen.)
Am Morgen des zweiten Tages fuhr Angelene in die Stadt, und als sie zurückkam und auf die Veranda zuging, hörten Talmadge und Caroline Middey prompt auf zu reden. Anscheinend hatten sie eine Auseinandersetzung.
Was ist los?, fragte Angelene. Und als keiner antwortete: Soll ich wieder gehen?
Caroline Middey sah Talmadge scharf an, doch er schaute demonstrativ weg.
Erzähl’s ihr ruhig, sagte Caroline Middey. Erzähl ihr alles.
Talmadges Kiefer arbeitete unter seiner Haut; er schluckte schwer – vor Ärger, dachte Angelene.
Talmadge, sagte Caroline Middey. Es geht nicht, dass du ihr nur die Hälfte erzählst. Du machst es damit nur
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