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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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Ort für dich. Es ist mir egal, was du getan hast. Und eins, sagte er plötzlich, möchte ich mal wissen: Hast du den Mann wirklich umgebracht, oder war das eine Lüge, um hier reinzukommen? Die Möglichkeit – die Wahrscheinlichkeit – dieser Strategie nahm für ihn jetzt rasch Gestalt an.
    Ich glaub, ich hab wirklich jemanden umgebracht, sagte sie nach langem Schweigen. Selbst wenn es ein anderer war, als ich dachte …
    Pst, sagte Talmadge erschrocken. Sei still. Sag hier drinnen bloß nichts dergleichen. Wir müssen den Richter um Hilfe bitten, wir müssen ihn fragen, was er tun würde …
    Bitte, sagte Della, und an einem kleinen Lufthauch spürte er, dass sie aufstand. Bitte sag dem Amtsrichter nichts davon. Das … das ist wichtig für mich. Bitte. Ich … ich sag’s ihm selbst.
    Talmadge brummte.
    Bitte, Talmadge, sagte sie, und das – seinen Namen aus ihrem Mund zu hören, unwillkürlich von ihr ausgesprochen – ließ ihn einlenken. Er schwieg.
    Es ist mein Problem, sagte sie. Lass mich mit ihm reden.
    Gut, sagte er schließlich. In Ordnung. Du sagst es ihm. Aber tu es auch wirklich.
    Ja.
    Gut.
    Er bewegte sich auf das etwas hellere Dunkel zu. Sein Körper schmerzte. Es schien, als würde er die Tür nie erreichen.
    Kommst du, Della? Er hat gesagt, du brauchst nicht mehr hier drinnen zu bleiben. Komm mit.
    Es war kurz still.
    Gleich, sagte sie.
    Ich hole den Amtsrichter und …
    Nein, sagte sie. Geh du zuerst. Ich komm später raus.
    Er zögerte auf der Türschwelle.
    Della, sagte er. Bitte komm jetzt.
    Ich möchte nicht, dass du mich siehst, sagte sie.

    Caroline Middey und Angelene standen in der feuchten Hitze der Hütte, beide vollauf mit dem Einmachen von Gemüse beschäftigt. Wasser sprudelte in dem großen schmiedeeisernen Becken auf dem Herd, und das Mädchen, auf einem Hocker davor, behielt den Wasserpegel im Auge und tippte dann und wann die Gläserdeckel mit einem Holzlöffel an.
    Caroline Middey war am Morgen unangekündigt aufgetaucht. Als Angelene in der Ferne die Glocken am Brustblatt des Maultiers und das Knarren des Wagens hörte, merkte sie, dass sie auf sie gewartet hatte. Der Wagen war mit Scheffeln voll Gemüse und Obst sowie Caroline Middeys Gerätschaften beladen, obwohl sie auch die von Angelene und Talmadge hätte benutzen können. Aber je nach dem, was sie einmachen wollte, arbeitete Caroline Middey manchmal lieber mit ihren eigenen Sachen.
    Sie hatten sich auf die Veranda gesetzt und schweigend Mais enthülst und Erbsen geschält. Das hatte lange gedauert, und ab und zu war eine von ihnen aufgestanden, um Wasser oder Eistee für sie beide zu holen. Nun, in der Hütte, bei geschlossenen Fenstern und Türen, damit die Hitze im Raum blieb, war es zu heiß zum Reden. Angelene hatte sich bis auf die Unterwäsche ausgezogen und das Haar mit einem Tuch zusammengebunden, Caroline Middey die Ärmel ihres Kleides hochgekrempelt. Beide waren barfuß und im Gesicht tiefrot. Das feine Haar an Angelenes Schläfen war dunkel vor Schweiß.
    Caroline Middey goss noch mehr kochendes Wasser in das Becken, vorsichtig, damit die Dampfwolke ihr nicht ins Gesicht schlug, als sie plötzlich hinter sich einen Schmerzenslaut hörte. Sie stellte den Kessel ab und drehte sich um. Angelene, die am Tisch stand, hatte sich die Hand an einem Glasdeckel geschnitten; sie hielt den Arm an den Bauch gedrückt und zwang sich, geradeaus an die Wand zu schauen, weil sie kein Blut sehen mochte.
    Zeig mal her.
    Angelene hielt ihr die Hand entgegen, ohne selbst hinzuschauen. Der Schnitt war in der Mitte der Handfläche und nicht so tief, dass man sich Sorgen machen musste – er brauchte nicht genäht zu werden –, aber Caroline Middey sagte ihr, sie solle sich hinsetzen, und holte Jod und Verbandszeug.
    Das Gemüse, sagte Angelene.
    Wir passen schon auf.
    Caroline Middey beugte sich über Angelenes Hand und begann, die Wunde zu säubern. Mit der geöffneten Hand des Mädchens in ihrer eigenen sagte sie leise und unvermittelt, als sei es ihr gerade erst wieder eingefallen: Bei mir hat mal ein Mädchen gelebt. Das weißt du ja schon. (Angelene wusste es nicht.) Sie schwiegen einen Moment, und als Caroline Middey die Hand zu verbinden begann, sagte sie: Ich habe ihr was über die Kräuter beigebracht und über Geburtshilfe. Sie war mein Lehrling. Als wieder eine lange Pause eintrat, sah Angelene Caroline Middey an, die ganz in Gedanken verloren schien.
    Was ist aus ihr geworden?
    Ach … Caroline Middey

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