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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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schlimmer … für alle. Das würdest du selbst erkennen, wenn du nicht so furchtbar dickköpfig wärst …
    Was, sagte Angelene. Worum geht es?
    Keiner von beiden sah zu ihr hin.
    Talmadge, sagte sie.
    Erst da schaute er sie an. Sein Gesicht war dunkelrot, aber verschlossen.
    Hol deine Sachen, sagte er. Wir fahren jetzt.
     
    Auf dem Rückweg zur Plantage schwieg er fast die ganze Zeit. Erst als sie die Straße zwischen den Weizenfeldern verließen und in den Wald fuhren, sagte er, Della habe sich dort in der Haftanstalt in Schwierigkeiten gebracht. Sie habe Streit angefangen. (Mit einem
Mann?
, fragte Angelene.) Er habe vorher nicht gewusst, wer der Mann sei, doch bei seinem letzten Besuch habe er herausgefunden, dass es jemand aus Dellas und Janes Vergangenheit sei, jemand, den Della mit gutem Grund hasse. Der Mann sei, wie sich herausgestellt habe …
    Michaelson, sagte Angelene. Sie lenkte den Wagen, und beim Aussprechen dieses Namens musste sie sich bemühen, gerade sitzen zu bleiben. Angst – oder eine Art von Aufregung – hatte sich auf ihren Schultern niedergelassen, substanziell und schrecklich, wie ein Raubvogel. Sie fror und brach zugleich in Schweiß aus.
    Talmadge schwieg, doch sie spürte seine Verwunderung. Er hatte wohl vergessen, dass er ihr den Namen des Mannes einmal genannt hatte.
    Und was passiert jetzt?, fragte sie.
    Ich habe mit dem Richter gesprochen, sagte Talmadge nach einer Weile. Er stellt einen Antrag, dass einer von ihnen verlegt wird. Wenn ich wieder nach Chelan fahre, gebe ich ihn dem Amtsrichter. Ein paar Minuten lang war er still. Ich möchte, dass sie nach Hause kommt, sagte er dann. Ich werde mithilfe des Richters versuchen, sie hierher zurückzuholen.
    Angelene blickte unverwandt geradeaus. Sie wusste nicht, ob sie wütend war. Sie wollte es gern sein. Die Zärtlichkeit in seiner Stimme erschreckte und irritierte sie. Er war ein Dummkopf, dachte sie auf einmal.
    Was hat Caroline Middey gesagt?, fragte Angelene. Vorhin, meine ich. War sie böse?
    Talmadge antwortete nicht sofort.
    Ich wollte dir nichts von ihm sagen. Und sie fand, du solltest es wissen.
    Möchte sie auch, dass Della zurückkommt?, fragte Angelene vorsichtig, und das war es – sie spürte es in der Luft zwischen ihnen –, was Talmadge nicht ansprechen wollte: der wahre Grund, warum er und Caroline Middey gestritten hatten.
    Wieder ließ er sich Zeit mit der Antwort.
    Natürlich, sagte er.

    Sie hatte nichts als Zeit in ihrer Zelle, und doch wollte ihr nicht einfallen, wie sie in Michaelsons Nähe kommen könnte. Um ihn zu töten, musste sie ihm nahe kommen, und um ihm nahe zu kommen, musste sie eine Möglichkeit finden – entweder allein oder mit Fredericks Hilfe –, sich aus ihrer Zelle zu befreien. Durch die Stäbe passte sie nicht, selbst wenn sie hungern würde; das hatte sie schon geprüft. (Ihr Körper passte erstaunlicherweise fast so schon hindurch, aber ihr Kopf war zu groß.) Frederick weigerte sich, Michaelson noch einmal zu ihrer Zelle zu bringen. Und auf dem Gang begegneten sie sich auch nicht mehr (das war ihre perfekte Chance gewesen!). Jetzt wurde sie immer von den Männern getrennt auf den Hof geführt, aus Sicherheitsgründen mit mehreren Stunden Abstand dazwischen.
    Wenn die anderen Häftlinge an ihrer Zelle vorbeikamen, warfen sie keinen Blick mehr zu ihr hinein. Sie hielten sie für verrückt.
    Wie sollte sie es also anstellen? Sie dachte daran, Gift in Michaelsons Essen zu mischen, verwarf diese Idee aber gleich wieder, weil sie keine Möglichkeit sah, sie auszuführen, und außerdem wollte sie ihn eigenhändig töten – auf direktere Weise als durch Vergiften. Sie erwog, ihn mit dem Messer zu verletzen und dann zu erwürgen, ja, das wäre das Beste. Ihn erst zu schwächen und dann ihre Hände um seinen Hals zu legen …
    Mit diesen Bildern vor ihrem inneren Auge schlief sie schlecht und wachte schwitzend auf. Manchmal schien ihr der üble Geruch der Zelle ungewohnt, und sie sehnte sich nach frischer Luft. Sie glaubte zu ersticken. War sich der Gitterstäbe – ihrer Unverrückbarkeit – überdeutlich bewusst. Und in manchen dunklen, uferlosen Momenten begann sie die Möglichkeit eines Chaos’ zu spüren; eines Chaos’, das so umfassend war, dass sie es nicht begreifen, geschweige denn sich darin zurechtfinden konnte.
    Aber sie hatte das Heft in der Hand, sagte sie sich, wenn sie plötzlich aufwachte. Mühsam erhob sie sich von ihrem Feldbett – ihr Körper tat jetzt

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