Im Licht von Apfelbäumen | Roman
heftete das Ende des weichen Verbandes fest und stand auf. Schwindsucht. Die grassierte damals hier. Sie ist gestorben. Das ist lange her.
Als sie mit dem Einmachen fertig waren, öffneten sie die Haustür und alle Fenster und traten hinaus auf die Veranda. Doch das reichte ihnen nicht, und so gingen sie zum Bach und wateten ins Wasser.
Meine Güte, sagte Caroline Middey, die sich den Rock bis zu den Hüften hochraffte. Das Wasser strömte ihr um die Beine. Sie schloss die Augen. Das ist ja herrlich.
Angelene setzte sich vorsichtig hin, sodass ihr das rauschende Wasser bis zur Taille reichte. Dann legte sie sich auf den Rücken, wobei sie die bandagierte Hand hoch in die Luft streckte.
Nachdem sie in der Hütte alles aufgeräumt und sich richtig gewaschen und angezogen hatten, setzten sie sich zum Essen auf die Veranda. Caroline hatte eine Fleischpastete für sie beide mitgebracht und zum Nachtisch die kleinen Zimtkekse, die Angelene so gern mochte. Caroline Middey kochte Kaffee, und sie saßen barfuß auf den Birkenholzsesseln, satt, müde und zufrieden.
Angelene hatte die Augen geschlossen, und obwohl sie seit Caroline Middeys Ankunft am Morgen von allen Gedanken an Talmadge und Della abgelenkt gewesen war, fragte sie jetzt: Glaubst du, sie kommt mit ihm zurück?
Nach einer Weile seufzte Caroline Middey. Ich glaube, dafür ist es zu spät, sagte sie. Vorher … vielleicht, aber im Moment … Sie fühlte sich unbehaglich, weil sie nicht wusste, wie viel Talmadge dem Mädchen erzählt hatte. Sie schaute in ihr Gesicht, konnte aber nichts davon ablesen. Zwar sah sie an der Bewegung darin, dass ihr Verstand arbeitete, doch gleichzeitig war es verschlossen. Sie kannte das – aber woher? –, und dann fiel es ihr ein: von Della.
Mehr weiß ich nicht, und ich will auch nicht so tun als ob, sagte Caroline Middey schließlich. Und weiter sprachen sie nicht darüber.
Della kam nicht aus der Zelle heraus, als Talmadge gegangen war, sondern blieb noch einen ganzen Tag darin. Der Amtsrichter verweigerte ihr so lange die Nahrung. Nachdem sie ein wenig gegessen hatte, ließen sie sie sofort hinaus auf den Hof.
Die Sonne attackierte sie. Sie wusste nichts mit sich anzufangen, konnte nicht richtig sehen, lief einfach in Richtung Zaun. Er war fast siebzig Fuß entfernt. So weit würde sie es nicht schaffen, würde umkehren müssen, bevor sie dort war. Aber es war die einzige Möglichkeit, um den Mittelpunkt des Hofes zu erreichen, den Ort, an dem sie gleich weit von jedem anderen Punkt entfernt wäre: dem Zellentrakt und dem umlaufenden Zaun. Das fühlte sich beinahe wie Freiheit an.
Auf dem Weg dorthin stieg ihr der Geruch von Holzrauch in die Nase. Er kam aus der Richtung des Sees. Sie blieb stehen und schaute in die Bäume, den Himmel. Sie konnte den Rauch nicht sehen. Sie konnte den See nicht sehen. Ein Geräusch kam aus ihr heraus, das ihr Angst machte. Es war ein leises Geräusch. Sie berührte ihr Gesicht, wie um zu prüfen, ob sie noch da war.
Er schlief fast auf der ganzen Rückfahrt nach Cashmere. Um ein Haar hätte er es nicht mehr rechtzeitig zum Zug geschafft, keuchend war er auf dem Bahnhof angekommen und hatte die Hand gehoben. Ein Gepäckträger beugte sich heraus, um ihm zu helfen. Nahm ihm seine Tasche ab.
Danke, es geht schon, sagte Talmadge und hustete laut.
Alles in Ordnung, Sir?
Er ging über den mit Teppich ausgelegten Gang, stützte sich auf den Sitzlehnen ab, ließ sich schließlich am Ende des Wagens auf einen Fensterplatz fallen. Schloss die Augen und zwang seinen Körper, sich zu beruhigen. Der sich kaum wie sein Körper anfühlte, sondern wie ein wildes Tier. Talmadge nahm den Hut ab; seine Stirn war feucht vor Schweiß. Im nächsten Moment war ihm kalt. Sein Herz schlug laut, das Blut pochte in seinen Ohren, die Welt vor ihm schwankte. Kurz fürchtete er, das Bewusstsein zu verlieren.
Doch irgendwann beruhigte er sich und schlief ein. Als er die Augen wieder öffnete, lagen die mattfarbenen Hügel der vorbeiziehenden Landschaft im späten Nachmittagslicht. Er fühlte sich so leer wie noch nie. Die Sonne war eine große honigfarbene Kugel, die er nicht direkt anschauen konnte. Caroline Middey würde ihn am Bahnhof abholen, vielleicht auch das Mädchen. Auf eine unbeteiligte Art fürchtete er, dass er sich übergeben müsste, sobald er aus dem Zug stieg.
Die Lokomotive bremste ab, wechselte mit einem kleinen Ruck das Gleis und nahm dann langsam und stetig wieder Fahrt auf. Er
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