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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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Plantage zurück, bemüht, die Fakten detailliert im Kopf zu behalten, damit er, falls die Männer am folgenden Tag wiederkämen und ihn befragten – und das taten sie letztlich immer – belegen konnte, was von Rechts wegen ihm gehörte.
    Der Richter erhob sich hinter seinem Schreibtisch, als seine Schwester Meredith Talmadge zu ihm hineinführte. Sie ließ sie gleich wieder allein. Das Büro war groß und geräumig, dämmerig und kühl. Es roch nach Büchern. An den Wänden waren dunkle Regale, Kirschholz. Durch das einzige Fenster blickte man auf einen blühenden Pflaumenbaum im Hof.
    Der Richter forderte ihn auf, Platz zu nehmen, und Talmadge setzte sich auf den Rosshaarstuhl vor dem Schreibtisch. Sie tauschten Höflichkeiten aus: Der Richter fragte nach Angelene und ihm. Danke, und der Richter selbst? Dem Richter ging es gut. Schönes Wetter diese Woche, nicht wahr? Dabei hätten manche Regen vorhergesagt. Keine Wolke am Himmel, soweit die beiden Männer sahen. Mit dem Wetter sei das eben so eine Sache. Nicht, dass Regen schlecht wäre. Sie könnten es sogar brauchen. Der Richter erkundigte sich nach Talmadges Bäumen. Sie machen sich gut, sagte Talmadge, obwohl der Winter hart war. Bald ist schon Laubaustrieb, oder? Ja, sagte Talmadge, ja, bald. Nach ein paar Sekunden Stille fragte ihn der Richter, wie er ihm helfen könne.
    Als Talmadge ihm erklärte, er wolle sein Testament aufsetzen, nickte der Richter. Falls ihn das Anliegen überraschte, ließ er es sich nicht anmerken. Er holte einen Schreibblock hervor, nahm den Füller aus seiner Messinghalterung. Ein kurzes Schweigen folgte, bevor Talmadge sagte, es gebe nicht viel hinzuschreiben, die Sache sei ganz einfach: Er wolle alles Angelene vermachen.
    Zwei Wochen zuvor war er von einem Baum gefallen. Hatte sich Knöchel und Handgelenk verstaucht. Angelene hatte ihm, so gut sie konnte, den Knöchel verbunden und Caroline Middey geholt. Caroline Middey untersuchte seine Gelenke und meinte, die seien nicht das eigentliche Problem. Vorher hatte sie ihm mit dem Stethoskop Herz und Lunge abgehört und ihn nach Benommenheit und Schwindel befragt.
    Du darfst dich nicht überanstrengen, sagte sie. Hörst du? Wenn du Hilfe brauchst, kannst du sicher einen der Männer bitten, hier bei euch zu bleiben …
    Er hatte ihr nicht geantwortet.
    Und dann gehst du besser mal zum Richter und machst dein Testament, falls du das noch nicht getan hast. Geh zu ihm, Talmadge.
    Er staunte über ihre Art, ihm zu sagen, was er tun solle. Nach der ersten Überraschung merkte er, dass ihre Worte ihn keineswegs kränkten. Niemand sonst konnte so mit ihm reden, ohne dass er böse wurde. Ja, ihr Rat erleichterte ihn sogar. Sie sagte ihm immer genau, was sie dachte, und was sie dachte, hatte Hand und Fuß, das wusste er.
    Der Richter legte jetzt seinen Füller auf den Schreibtisch. Selbstverständlich, sagte er. Dann: Da wäre Ihr Besitz. Ich muss alles notieren, ein förmliches Schreiben aufsetzen. Zum einen ist da natürlich das Land. Ich kann mir die Informationen aus Ihrem Vertrag besorgen, das wird nicht schwierig sein. Aber dann ist da noch die Hütte und … Der Richter zögerte. Er sah, dass Talmadge etwas sagen wollte. Was gibt es?
    Talmadge schwieg lange. Er schaute aus dem Fenster.
    Ich würde gern das Mädchen finden, sagte er schließlich. Della.
    Der Richter lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Della, sagte er. Sie meinen …
    Das Mädchen gehört zur Familie, sagte Talmadge. Sie hat da draußen mit uns gelebt.
    Ich erinnere mich, sagte der Richter. Wie lange ist sie schon weg?
    Talmadge schwieg.
    Fast neun Jahre jetzt, sagte er dann.
    Der Richter nickte wieder.
    Und Sie möchten, dass ich Ihnen helfe, sie zu finden?
    Ja …
    Talmadge erklärte dem Richter, es gehe ihm nicht darum, das Mädchen zurückzuholen (ob das stimmte oder nicht, würde er sich später überlegen); er habe nicht vor, ihre Kreise zu stören, falls sie einen anderen Ort zum Leben gefunden habe. Sie brauche noch nicht einmal zu erfahren, dass er nach ihr suche. Er wolle nur wissen, ob es ihr gutging, ob ihr nichts zugestoßen war. Immerhin wäre er dann erleichtert; er könne keine Ruhe finden – oder anders gesagt, nicht »in Frieden sterben« –, wenn er wüsste, dass sie irgendwo in Schwierigkeiten steckte. Doch dann schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf: Und wenn es so war? Wenn sie unglücklich war? Oder tot? Was würde er dann tun?
    Der Richter erkundigte sich nach Dellas vollständigem

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