Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
Vom Netzwerk:
Jane. Los. Della.
    Jane …
    Aber Jane rutschte vom Ast, bevor Della ihr antworten konnte.

    In einem Nachbarort stahl sie ein Pferd – abends vor einem Wirtshaus, es war denkbar einfach – und entdeckte am nächsten Morgen, nachdem sie fast die ganze Nacht durchgeritten war, in den Satteltaschen ein Wildfleischsandwich und, eingenäht in ein Taschentuch und in eine Geheimtasche gestopft, einige Geldscheine.
    In Chelan band sie das Pferd vor dem Gemischtwarenladen an, wo es noch am selben oder spätestens am nächsten Tag jemandem auffallen würde. Sie würde nicht zurückkommen. Sie kaufte sich neue Kleider, einen neuen Hut. Ging zum Friseur. Obwohl sie ihr die Haare im Krankenhaus kurz geschoren hatten, reichten sie ihr schon wieder fast bis auf die Schultern.
    Schneiden Sie sie ganz ab, bat sie den Friseur, der sie ratlos betrachtete.
    Sie setzte sich in das Wirtshaus gegenüber vom Gericht und dachte nach. Sollte sie hineingehen und nach ihm fragen? Aber selbst wenn sie sie zu ihm ließen, was würde sie sagen?
    Sie verließ das Wirtshaus und ging um das Gerichtsgebäude herum. Als suchte sie etwas. Auf der Rückseite war ein großer eingezäunter Hof – sicher für die Gefangenen –, und dahinter, jenseits eines kargen, kahlen Feldes, begann der Wald. In der Ferne sah man die ersten Ausläufer des Gebirges.
    Sie stieß auf eine Gruppe Jungen, alle mit halblangen Hosen und Schiebermützen. Sie kehrten ihr den Rücken zu, und sie sah, wie einer von ihnen einen Gegenstand – eine braune Limoflasche – vorsichtig über den hohen Zaun warf.
    Als sie merkten, dass sie von ihr beobachtet wurden, erschraken einige, doch dann sahen sie, dass sie nichts unternahm. Einer wandte sich ihr zu und sagte: Manchmal schnappt sich einer von denen (durch seine Geste verstand sie, dass er die Häftlinge meinte) so eine Flasche, und dann streiten sie sich darum. Sie machen daraus ein … Messer. Der Junge grinste. Ist schon mal passiert. Sein Bruder hat’s gesehen – er zeigte auf einen anderen Jungen.
    Als nichts geschah – es waren gar keine Häftlinge auf dem Hof –, zerstreuten sich die Jungs.
    Doch sie blieb noch da und betrachtete eine ganze Weile die Begrenzungen des Hofes, den Zaun. Dann suchte sie den Boden ab und warf alles, was sie fand – Steine, Stöcke, anderen festen Unrat – über den Zaun, bevor sie abrupt, und ohne sich noch einmal umzublicken, wegging.
     
    Fast von Anfang an – oder so lange sie in dem Leben, das sie mit Jane geteilt hatte, zurückdenken konnte – hatte Della sich nach Jane gerichtet. Jane lenkte, und Della folgte. (Davor lagen die Jahre mit ihrer Mutter, eine Zeit, die schwarz hätte sein müssen – ihre Mutter war krank und unglücklich gewesen –, doch für Della war es eine einzige strahlende Helligkeit.) Nachdem Jane gestorben war, lernte Della, allein zurechtzukommen. Meistens wurde ihr Handeln vom Überlebenswillen diktiert: Geh dort entlang; schlaf hier; iss dies, aber nicht das. Nimm dich vor diesem Menschen oder Tier in Acht; jener Mensch, jenes Tier ist harmlos. Heute brauchst du kein Geld; heute musst du etwas verdienen, um dir etwas zu essen zu kaufen.
    Nun, nachdem sie Michaelson auf der Straße gesehen hatte, war etwas in ihr – etwas, das geschlummert hatte – erwacht. Es trieb sie an. Dass sie ein Pferd stahl, nach Chelan ritt, zum Gefängnis ging, geschah alles aufgrund eines Instinkts. Irgendetwas bereitete sie vor, ohne genau zu wissen, was es war. Sie sah die Umrisse davon, aber die Sache selbst musste sich ihr noch offenbaren. Sie hatte gedacht, dass sie ins Gefängnis gehen wollte, um mit ihm zu sprechen, mehr nicht. Doch als sie auf die Jungen traf, die Gegenstände über den Zaun warfen, wusste sie, was sie tun würde; es war, als hätte sich kurz eine Tür geöffnet, sodass sie sehen konnte, was möglich war.
    Am nächsten Tag betrat sie das Gerichtsgebäude. Ging in ein Büro mit hoher Decke und einem langen Schalter, hinter dem ein junger Mann arbeitete. Er sah zu ihr auf, ganz beflissene Aufmerksamkeit.
    Kann ich Ihnen helfen?
    Sie schien einen Moment zu überlegen, wirklich nachzudenken, was sie sagen sollte, bevor sie es sagte. Sie hatte ihren Mantel über dem Arm und den Hut in der Hand.
    Ich möchte mit jemandem sprechen. Ich hab letzten Herbst einen Mann getötet und will mich stellen …

    Als sich unter den Männern, die regelmäßig zur Plantage kamen, herumsprach, dass es sich bei dem Mädchen in Coeur d’Alene nicht um

Weitere Kostenlose Bücher