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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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daran hatte, dann würde er ihr vielleicht weiter folgen, würde sich Arbeit suchen, wo sie arbeitete, immer in ihrer Nähe sein, sie im Auge behalten und aufpassen, dass sie nicht in Schwierigkeiten geriet.
    Natürlich hatte Caroline Middey keinen Beweis dafür, dass er je so weit gehen würde. Höchstwahrscheinlich hätte er seinem Impuls, dem Drang, sie zu suchen, eher nachgegeben, wenn Angelene nicht bei ihm lebte. Doch sie war nun einmal da und wuchs heran, aufmerksam und wissbegierig, und so musste er bleiben. Sie war – zumindest physisch – sein Anker in der Plantage.
    Überdies war da noch ihr eigener, Caroline Middeys, Einfluss. Sie sagte ihm – wann immer er sie fragte –, ob er sich wie ein Dummkopf benahm oder etwas Wichtiges, Naheliegendes übersah. Nimm dich in Acht, sagte sie gern. Du wolltest, sie wäre hier? Nun, das ist sie aber nicht. Sie muss aus eigenem Antrieb kommen. Und oft sagte sie auch: Sie weiß ja, wo du lebst.
    Aber irgendwann wäre die Grenze dessen, was er ertragen konnte, erreicht, und er würde es kein weiteres Mal schaffen, sich gegen die Suche zu entscheiden. Obwohl Caroline Middey ihm sagte, er handele richtig, schließlich gebe es Angelene, ihre Gegenwart auf der Plantage, ihren arbeitenden und gesunden Körper, ihre Schönheit und Intelligenz – obwohl er all dies direkt vor sich hatte, blieb ein Teil von ihm immer für Della reserviert, ein Platz, den sie jederzeit ausfüllen könnte. Jedes Mal, wenn er dem Drang widerstand, sie zu suchen, hasste er den Moment, der stattdessen kam. Selbst wenn es ein wunderschöner Moment war, etwas, das er wertschätzte und das ihn zu dem machte, der er war. Er konnte nicht anders, als sich zugleich nach einem Leben zu sehnen, das er mit Della teilte, auch wenn sie ihn noch so schlecht behandelte.

[zurück]
    IV
    Der Rechtsanwalt von Cashmere, Emil Marsden, war ein Mann, den alle den »Richter« nannten, obwohl er gar keiner war. Vielmehr war er der Sohn eines Richters, der mit seiner Frau und zwei Kindern, damals noch Babys, von Osten her in die Gegend gezogen war und sich ein Haus am Stadtrand gebaut hatte. Emil kehrte als junger Mann in den Osten zurück, um wie sein Vater Jura zu studieren. Als dieser erkrankte, unterbrach Emil sein Studium und lebte mit seiner Schwester Meredith und dem Vater bis zu dessen Tod in seinem Elternhaus. (Die Mutter war zehn Jahre zuvor an einem schwachen Herz gestorben.) Die Krankheit des Vaters zog sich hin, und als er starb, hatte Emil bereits angefangen, die Leute in der Stadt in ihren diversen Rechtsstreitigkeiten zu beraten, bei denen es vorwiegend um Land ging. Dass er noch keinen Abschluss hatte, war den meisten egal. Trotzdem ging er noch einmal an die Universität und kehrte zwei Jahre später mit den nötigen Voraussetzungen für die Gründung einer Kanzlei zurück. Die Leute nahmen ihn auf, als wäre er nie fort gewesen.
    Er sah imposant aus – hoch aufgeschossen, dunkelhaarig, mit einem dicken, borstigen Schnurrbart –, war aber zugleich ein Mann der leisen Töne, dem es nicht lag, große Reden zu schwingen; Talmadge fand ihn nicht unsympathisch und war bereit, seinen Beistand zu erbitten.
     
    Talmadge und der Richter kannten sich, seit Letzterer ein Junge gewesen war und Talmadge den Rat seines Vaters gesucht hatte, wenn es zu Auseinandersetzungen über sein Land kam. Auseinandersetzungen war schon zu viel gesagt – Talmadge erkundigte sich nur nach den exakten Grenzen seines Besitzes. Ganz gelegentlich – vielleicht zwei Mal in zehn Jahren – kamen Leute vorbei, die sich dafür interessierten: entweder jemand von der Eisenbahn oder Landvermesser, die neue Grundstücke absteckten. Ihnen gehört dieses Stück Land hier, sagten sie, mit den Obstgärten und allem, aber wie weit reicht Ihr Besitz in den Wald hinein? Wie weit den Gebirgskamm hinauf? Talmadge war sich der Grenzen nicht ganz sicher, zumal Stürme und der Zahn der Zeit solche alten Markierungen wie Bäume und Becken zerstörten und manche Felder ungeplant schrumpften oder wuchsen, und diese Männer waren auf exakte Zahlen aus und mit Annäherungswerten nicht zufrieden. Talmadge ärgerte sich über sie, doch wenn sie stur blieben, war er gezwungen, in die Stadt zu fahren und den Richter um Rat zu fragen: zuerst Emils Vater und später Emil selbst. Die alten Verträge wurden aus dem Ordner geholt, die Grenzmarkierungen – oder was dafür herhielt – überprüft, und Talmadge nahm diese Informationen mit zur

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