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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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Nicht im Gefängnis.
    Caroline Middey schüttelte den Kopf.
    Das hätte ich nie für möglich gehalten, sagte sie. Dann: Was wirst du tun?
    Es hatte nie infrage gestanden, was er tun würde.
    Ich werde sie besuchen, sagte er.
     
    Vor dem Einschlafen dachte er noch einmal an sein Testament. Es war ihm nur natürlich erschienen, Angelene alles zu vermachen, doch nun hatte die Lage sich geändert. Oder nicht? Schon im Halbdämmer, folgte er der Logik seiner Besorgnis: Della war in Haft – und käme wahrscheinlich ins Gefängnis –,
weil sie nirgendwo hingehörte.
Wenn er sie als Erbin seines Grundbesitzes einsetzte, wäre sie an einen Ort auf dieser Welt gebunden. Verbrecher waren für gewöhnlich nicht sesshaft, es waren Herumtreiber (oder nicht?). Ganz sicher besaßen sie kein Land. Della unterschied sich von ihnen; dafür würde er sorgen. Als rechtmäßige Grundbesitzerin würde sie an den Ort zurückkommen, der ihre Anwesenheit forderte. Ihre Zugehörigkeit zu dem Land wäre offiziell, sie wäre schriftlich niedergelegt …
    Außerdem wäre sie dann für Angelene verantwortlich, dachte er. Blut und Gesetz. Das war wichtig, auch das müsste schriftlich niedergelegt werden …

    Angelene saß an dem großen, mit Schnitzereien verzierten Esstisch im Haus der Marsdens. Talmadge und der Richter waren im Büro. Die Schwester des Richters, Meredith, kam mit Kaffee und Mürbegebäck ins Zimmer und sagte lächelnd: Du siehst sehr hübsch aus, Liebes. Angelene neigte bescheiden den Kopf und sagte: Danke. Talmadge hatte sie gebeten, das Gingankleid anzuziehen, dazu den Strohhut mit den Bändern. Ihre feinen Schuhe. Sogar Strümpfe. Sie wusste nicht, warum. Er würde es ihr erklären, wenn er so weit war. Auf dem ganzen Weg zur Stadt hatte er an etwas anderes gedacht und kaum mit ihr gesprochen. Was ist los?, fragte sie ihn einmal. Gar nichts, hatte er da geantwortet. Er müsse nur mit dem Richter über eine bestimmte Angelegenheit reden.
    Schließlich kamen die Männer aus dem Büro ins Esszimmer.
    Ich koche noch Kaffee, sagte Meredith und stand auf.
    Danke, Meredith, das ist nicht nötig. Bringst du uns den Portwein?
    Den Portwein?
    Ja.
    Sie ging aus dem Zimmer und kam kurz darauf mit einem Tablett zurück, auf dem eine Flasche und Gläser standen. Der Richter schenkte aus, und als die Gläser mit dem Alkohol verteilt wurden, bekam auch Angelene eins angeboten. Sie warf Talmadge einen Blick zu, und er nickte.
    Auf unsere Gesundheit, sagte der Richter, und alle tranken.
    Auf der Rückfahrt im Wagen kniete sie sich hinter die Rücklehne seines Sitzes und schmiegte ihr Gesicht an seine Schulter.
    Was hatte das zu bedeuten?, fragte sie.
    Was?
    Was war da los, mit dir und dem Richter. Warum haben wir diesen … Portwein getrunken?
    Ich habe mein Testament gemacht, sagte er.
    Warum?, fragte sie, obwohl sie wusste, was ein Testament war. Doch sie fühlte sich auf einmal befangen und ängstlich.
    Erneut zögerte er.
    Damit das Land dir und Della gehört, falls irgendwas passiert.
    Dass Dellas Name fiel, erschreckte sie genauso wie alles andere. Und obwohl sie nicht sicher war, ob sie mehr wissen wollte, zwang sie sich zu fragen: Was meinst du damit … wenn irgendwas passiert?
    Der Wagen knarrte in seiner Spur. Sie hatte Talmadge die Arme um den Hals geschlungen. Beide starrten geradeaus auf den Weg, wo Asche und Lehm matt glitzerten.
    Falls ich sterbe, sagte er.

    Sie gaben ihr eine Zelle am äußersten Ende des Flurs. Die zwölf Einzelzellen und die Gemeinschaftszelle waren allesamt leer, als sie am ersten Tag daran vorbeikam. Die anderen sind draußen auf dem Hof, erklärte ihr der Wärter, der ihr die Zellentür aufschloss und zur Seite trat, um sie hineinzulassen.
    Sie – er meinte die anderen Häftlinge – dürfen nicht mit Ihnen reden, hatte der Amtsrichter ihr am Nachmittag erklärt. Nach ihrem ersten Gespräch mit dem jungen Mann am Empfang hatte sie den größten Teil des Morgens und Nachmittags im Büro des Amtsrichters zugebracht. Sie hatte ihm ihr Verbrechen gestanden; dann wurde eine Sekretärin hereingeholt, sie gestand erneut, und die Sekretärin schrieb auf einer Schreibmaschine alles mit. Vom vielen Reden tat Della der Hals weh; sie konnte sich nicht erinnern, jemals so viel am Stück gesprochen zu haben. Es war anstrengend, sich all die wichtigen Einzelheiten zu merken, die sie dem Amtsrichter erzählen wollte, damit er sie für schuldig hielt und für gefährlich genug, um sie in eine seiner Zellen

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