Im Licht von Apfelbäumen | Roman
zu sperren.
Als er sah, dass Della müde wurde, rief er nach dem jungen Mann am Empfang, der kurz darauf im Türrahmen erschien. Holen Sie Miss Michaelson ein Sandwich aus der Kantine, sagte der Amtsrichter. Und Kaffee? Möchten Sie Kaffee, Miss Michaelson?
Kaffee wäre schön, sagte sie.
Angesichts dessen, was wir bisher wissen, sagte der Amtsrichter, können wir Sie nicht irgendwo in der Stadt unterkommen lassen. Sie müssen hierbleiben. Das verstehen Sie doch.
Sie blickte schweigend in ihren Schoß.
Aber, fuhr er fort, hier sind Sie immerhin in Sicherheit, und die Männer können Sie nicht belästigen, bis wir Ihre … Ihre Lage geklärt haben. Haben Sie etwas dagegen einzuwenden? Dann, als fiele es ihm gerade erst ein: Möchten Sie einen Anwalt?
Sie tat so, als zögerte sie.
Ich hab da nichts gegen … nichts dagegen einzuwenden, sagte sie. Und einen Anwalt brauch ich vielleicht später noch. Aber … ich weiß selbst, was ich getan habe. Ich habe einen Mann umgebracht. Ich hab’s verdient, dass man mich einsperrt.
Der Amtsrichter sah sie unverwandt an. Als er begriff, dass sie ausgeredet hatte, sagte er, er würde am nächsten Morgen zu ihr kommen. Dann hatte der Wärter sie in den Keller des Gerichtsgebäudes geführt, in ihre Zelle.
Nachdem er gegangen war, sah sie sich um. Die Zelle war komfortabler, als sie gedacht hatte: an einer Wand ein Feldbett; ein Waschbecken auf einem Sockel; in der Ecke, hinter einer Trennwand, ein Schmutzeimer. Ein kleines rechteckiges Fenster gab den Blick auf einen Teil des Rasens vor dem Gericht frei. Die Zellen lagen nicht vollständig, sondern nur zur Hälfte unterhalb der Erdoberfläche. Und ihre war relativ groß: ungefähr zehn mal dreizehn Fuß. Lehmboden. Backsteinmauern.
Sieben Männer saßen gleichzeitig mit ihr ein, plus zwei in der Gemeinschaftszelle. Sie waren alle weiter vorne untergebracht. Die Zelle ihr gegenüber war leer.
Sie trat ans Fenster und sah hinaus. Auf dem Rasen stand eine große Pappel, in die gerade der Wind fuhr; sie beugte sich tief hinunter, wie jemand, den ein heftiger Kopfschmerz packt. Della setzte sich auf das Feldbett und berührte abwesend die Wolldecke. Sie würde hier schon zurechtkommen, dachte sie.
Kurz darauf wurden die Männer vom Hof hereingelassen; sie stellte sich ans Gitter und beobachtete sie. Im Vorbeigehen schauten sie zu ihr hinein, verblüfft und staunend. Einer oder zwei glucksten und stießen ihrem Nebenmann den Ellbogen in die Rippen:
Guck mal, eine Frau!
Alle sahen sie an, außer einem – Michaelson –, der zurückhing und sich die Seite hielt. Er schien Schmerzen zu haben. Ein Wärter ging langsam hinter ihm her und behielt ihn im Auge.
So, sagte der Wärter, gleich sind wir da.
Nachdem Michaelson vorbeigegangen war, wich Della leise zurück und setzte sich aufs Feldbett. Horchte auf Michaelsons unsichere, schleppende Schritte auf dem Gang.
Da wären wir, sagte der Wärter.
Das Geräusch einer Zellentür, die geöffnet wurde, dann Metall auf Metall: ein einrastender Riegel.
Ich hole den Arzt, sagte der Wärter.
Was hat dieser Mann?, fragte Della den Wärter, der ihr am nächsten Morgen das Frühstück brachte. Es war derselbe – groß, teiggesichtig –, der Michaelson am Tag zuvor in seine Zelle geführt hatte.
Er sah sie kurz an. Er ist krank, sagte er. Sein Ton war weder freundlich noch unfreundlich.
Wie krank?
Zunächst schien es, als würde der Wärter ihr nicht antworten – als ignorierte er sie; er schob ihr das Tablett durch den Schlitz, und sie nahm es entgegen –, doch dann zuckte er mit den Schultern.
Elend krank, soweit ich’s beurteilen kann.
Was hat er getan?, hätte sie ihn gern gefragt. Doch dafür war es noch zu früh. Und so sagte sie nichts weiter.
Am Abend, als die Männer vom Hof hereinkamen, war Michaelson nicht unter ihnen. Sie löste sich wieder von den Gitterstäben – alarmiert, verwirrt – und setzte sich aufs Bett. Mit laut und stetig pochendem Herzen.
Was ist mit dem Mann passiert? Der krank war?
Diesmal war es ein anderer, jüngerer Wärter – spindeldürr, nervös, pickelig –, der ihr das Frühstück brachte. Er warf ihr einen erschrockenen Blick zu.
Ich hab bloß gehört, dass er krank ist, sagte sie. Und gesehen hab ich ihn auch. Sah gar nicht gut aus. Da hab ich mich eben gefragt, was mit ihm ist …
Der Junge öffnete den Schlitz und schob ihr das Tablett hinein; es machte ein schabendes Geräusch. Plötzlich murmelte er:
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