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Im Meer schwimmen Krokodile

Titel: Im Meer schwimmen Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Geda
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als khasta kofta: Ich war nur noch Hühnerfutter.
    Doch bevor ich mich hinlegte, saß ich noch kurz auf der Matratze und sah, wie hässlich der Samavat war, mit der abblätternden Farbe an den Wänden, dem Gestank, dem Staub überall und den Flöhen zwischen den Staubkörnern. Ich verglich diesen Ort mit meinem Zuhause, aber nicht sehr lange. Bevor ich endgültig verzweifelte, verscheuchte ich diese Gedanken wieder, indem ich mit den Händen wedelte wie mein großer Freund in Nawa, damit der Qualm nicht in seinen Kleidern hängen blieb, wenn er heimlich geraucht hatte.
    Enaiat, Enaiat, komm her, schnell …
    Was ist denn?
    Nimm den Eimer, Enaiat. Der Abwasserkanal draußen ist schon wieder verstopft. Hol Eimer und Lappen.
    Soll ich auch den Stock holen, Onkel Rahim?
    Eimer und Lappen, Enaiat. Den Stock habe ich bereits. Lauf!
    Ich laufe.
    Enaiat, du musst mir helfen.
    Ich kann jetzt nicht, Onkel Zaman. Der Abwasserkanal ist verstopft. Es sickert alles zum Tor herein.
    Schon wieder?
    Ja, wir stecken schon wieder in der Scheiße.
    Aber unsere Küche hat trotzdem geöffnet, und sowohl Zwiebeln als auch Melonen sind aus. Du musst zum Markt gehen und welche kaufen, Enaiat jan . Sobald du kannst.
    Was ist das nur für ein Gestank?
    Riechst du das, Onkel Zaman?
    Ob ich das rieche? Das stinkt ja fürchterlich.
    Das ist der Gestank vom Abwasserkanal. Er kommt bis hierher.
    Lauf, Enaiat. Rahim wartet schon mit zugehaltener Nase auf dich.
    Enaiat, wo bist du?
    Hier bin ich, Onkel Rahim. Mit Eimer und Lappen.
    Nicht die neuen Lappen, du Dummkopf! Nimm die, die hinten im Hof hängen.
    Ich bin schon unterwegs, Onkel Rahim.
    Enaiat, wo bleibst du?
    Der Abwasserkanal, Laleh. Die Jauche läuft in den Samavat .
    Daher dieser Gestank!
    Entschuldige, aber ich muss die Lappen holen.
    Danach kommst du zu mir, Enaiat, ich muss dich etwas fragen.
    Enaiat …
    Ich komme schon, Onkel Rahim.
    Ich rannte los, um die alten Lappen, die hinten im Hof auf der Leine hingen, zu holen. Mit den Lappen mussten wir den Spalt zwischen Tor und Gehsteig verschließen. Dann befahl mir Onkel Rahim, in die Jauche zu steigen, um ihm zu helfen, das Zeug rauszuholen, das den Kanal verstopfte. Ich weigerte mich. Es gibt Dinge, die ich einfach nicht über mich bringe. Da fing er an zu schreien. Er täte es doch schließlich auch, und wenn er es könne, ein Erwachsener, der noch dazu Besitzer eines so bedeutenden Samavat sei, würde ein kleiner Junge wie ich, der nur von seinen Gnaden hier wäre, das doch wohl auch können. Daraufhin sagte ich, dass ich zwar ein kleiner Junge sei, aber in der Jauche würden eklige Dinge schwimmen, die sogar noch größer wären als ich. Irgendwann kamen andere Männer, um Onkel Rahim zu helfen. In den Tagen darauf bin ich ihm lieber aus dem Weg gegangen.
    Das Küchenpersonal hatte ein eigenes Zimmer. Wir waren zu fünft, darunter ein älterer Mann, den ich sofort mochte. Er hieß Zaman und gab mir Ratschläge, wie ich es Onkel Rahim recht machen konnte, ohne mich zu überarbeiten.
    Im Samavat gab es Einzelzimmer für diejenigen mit mehr Geld, große Zimmer für Familien mit Kindern wie das, in dem ich mit meiner Mutter gewohnt hatte, und einen Männerschlafsaal. Die Einzelzimmer habe ich nie betreten, auch später nicht. Dort gingen Menschen ein und aus, deren Sprachen ich nicht kannte. Überall Rauch und Lärm. Aber ich interessierte mich nicht für ihre Geschäfte und ging Problemen lieber aus dem Weg.
    Als sie merkten, dass ich keinen Ärger machte – zumindest nicht allzu oft –, durfte ich damit anfangen, den Ladeninhabern Chai zu bringen. Zuerst hatte ich Angst, etwas falsch zu machen oder mich übers Ohr hauen zu lassen. Doch mit der Zeit lernte ich dazu, und wie ich bald merkte, hätte mir gar nichts Besseres passieren können. Vor allem ein Laden hatte es mir angetan: Es handelte sich um ein Sandalengeschäft, in das ich jeden Morgen um zehn Tee mit Milch und Brot brachte, das extra für den Besitzer gebacken wurde. Das Geschäft lag in der Nähe einer Schule.
    Ich trat ein, stellte das Tablett auf den Tisch, begrüßte den Sahib, wie Onkel Rahim es mir beigebracht hatte, nahm das Geld und zählte es hastig, ohne den Eindruck zu erwecken, ich misstraue dem Sahib. (Onkel Rahim hatte mir gezeigt, wie man das macht, und ich war richtig geschickt darin geworden.) Dann verabschiedete ich mich und verließ das Geschäft. Doch statt sofort zum Samavat zurückzukehren, ging ich eine Runde um den Block bis zur Schulmauer und

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