Im Mittelpunkt Yvonne
erzählt wie mir, ja?«
»Nun, ich habe seine Fragen beantwortet, aber selbstverständlich dabei bedacht, mich nicht mit allerlei bloßen Vermutungen aufs Glatteis zu begeben. Allerdings wollte ich mich auch nicht zu unhöflich benehmen, indem ich jede Antwort auf seine Fragen einfach verweigerte.«
»Mein Kompliment«, sagte ich. »Sie haben eine gute Beobachtungsgabe. Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: Sie hätten ein vorzüglicher Detektiv werden können.«
»Oh, ist das Ihr Ernst?« sagte sie und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. »Na, das nenne ich wirklich ein Kompliment, Mr. Lam. Das hätte mein Mann gleich mithören müssen.
Ich wette, Sie erleben dutzendweise aufregende Abenteuer«, fuhr sie neiderfüllt fort. »Und ich muß hier zu Haus wie in einem Käfig hocken, dazu noch in einer Gegend, wo kaum mal etwas Interessantes passiert.«
»Das kann ich Ihnen sehr gut nachfühlen«, sagte ich und drückte ihr zum Abschied die Hand.
Ich ging wieder zu Wells hinüber und klingelte an der Vordertür. Er rief, ohne zu öffnen: »Wer ist da?«
»Lam!« schrie ich durch die verschlossene Tür.
»Was wollen Sie noch?«
»Ein Foto von Ihrer Frau. Haben Sie eins da?«
»Nein!«
»Kein einziges Bild?«
»Nein!« '
Ich probierte, ob die Tür sich öffnen ließ, doch der Riegel war vorgeschoben. Ums Haus herum begab ich mich zur Garage und blickte hinein. Das alte Auto darin sah wirklich arg vermöbelt aus. Ich ging etwas näher heran. Gerade schrieb ich mir die Nummer der Karre auf, da wurde das Papier meines Notizbuches plötzlich dunkler. Ich spähte über die Schulter. Wells stand im Eingang.
»Mir paßt es nicht, daß Sie auf meinem Grundstück herumstreichen«, sagte er.
»Haben Sie etwas dagegen, daß ich mal einen Blick in Ihr Auto werfe?« fragte ich.
»Jawohl!«
»Oder mich eine Minute in Ihrer Garage orientiere?«
»Ja!«
»Na schön«, sagte ich, indem ich mein Notizbuch einsteckte und ihn lächelnd ansah, »aber gewiß haben Sie nichts dagegen, daß ich hier stehe?«
»Doch!«
Ich verließ, dicht an der Wand entlanggehend, die Garage.
»Sie brauchen nicht noch mal herzukommen«, sagte Wells. »Und der alten neugierigen Trine da im Nebenhaus können Sie bestellen, daß ich, wenn sie weiter so ihre Klappe aufreißt, mit einem Rechtsanwalt gegen sie vorgehen werde.«
»Das würde Ihnen ja bloß eine hohe Gebührenrechnung ein- bringen«, sagte ich. »Sie könnten doch die Polizei anrufen und die ersuchen, mal mit der Frau zu reden.«
»Und Sie können sich zum Teufel scheren!« gab er zornig zurück. Er folgte mir, bis ich sein Grundstück verlassen hatte, und
beobachtete, wie ich zum Nachbarhaus auf der anderen Seite
ging.
Ich klingelte dort und sprach dann mit einer vierschrötigen Frau, die mir erklärte, sie habe gar nichts bemerkt und bisher überhaupt noch keinen ihrer Nachbarn kennengelernt. Mit der kam ich nicht weiter.
Als ich das Nachbarhaus verließ, stand Wells immer noch auf seinem Hof und blickte mir nach, bis ich abgefahren war.
4
Den Nachmittag füllte ich mit Beinarbeit aus.
Ich beschaffte mir den Fahrplan der Autobuslinie und die Namen ihrer Chauffeure, suchte letztere auf und befragte sie nach einer mittelgroßen, schlanken Frau von dreiundzwanzig bis sechsundzwanzig Jahren mit rotem Haar und blauen Augen, die einen Handkoffer bei sich hatte und einen Bus entweder spät am Freitagabend oder Sonnabend früh genommen haben konnte. Der Handkoffer war, das wußte ich wohl, der einzige zweckdienliche Hinweis, den ich geben konnte, aber meine Umfragen erbrachten nichts.
Ich suchte in den Standesamtsregistern nach Vermerken über eine Eheschließung zwischen Drury und Yvonne Wells und fand keine, dafür aber die Eintragung der vor acht Jahren vollzogenen Heirat des Drury Wells mit einer gewissen Estelle Ambler. Danach rief ich unser Büro an und ließ mich mit Bertha Cool verbinden.
»Hier Donald«, sagte ich, sobald ich ihre Stimme hörte.
»Na, mein Pechvögelchen, was gibt’s jetzt wieder?« fragte Bertha.
»Habe mit Mrs. Raleigh gesprochen«, sagte ich. »Sie meint, Yvonne Wells sei am Freitag ermordet worden. Die Nachbarn auf der anderen Seite wissen nichts, sie wollen auch nichts mit der Sache zu tun haben. Ich habe die Buslinie nachgeprüft, ob sich jemand erinnerte, Mrs. Wells mit einem Handkoffer gesehen zu haben. Auch hier Fehlanzeige. Und beim Standesamt keine Eintragung ihrer Heirat.«
»Meine Güte, du bist mir ja ein heller Junge«, sagte sie.
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