Im Mittelpunkt Yvonne
»Na, na, na«, sagte er. »Wieder mal ein freundschaftliches Zwiegespräch der Partner, was? Sie müssen an Ihren Blutdruck denken, Bertha. Der steht ja jetzt auf zweihundertdreißig, nach Ihrer Gesichtsfarbe zu urteilen.«
Sellers trat die Tür mit dem Absatz zu, schob den Hut auf den Hinterkopf und die kalte, zerknautschte Zigarre in den anderen Mundwinkel. Von seiner erhabenen Höhe herab lächelte er uns tolerant und doch nicht ohne Mißtrauen an.
»Eines Tages«, sagte Bertha, als sie Luft geholt hatte, »wird Sie mal einer niederknallen, wenn Sie ohne Anmeldung in Privatbüros eindringen, und ohne...«
»Weiß ich, weiß ich«, sagte Frank Sellers, »aber für Sie verkörpere ich hier Ihre Majestät, die Justiz, und die kann nicht warten. Mord will ans Tageslicht. Und wenn ich von euch Herrschaften einen Tip kriege, daß ein Mord passiert ist, dann will ich genau wissen, wo das Feuer brennt, aus dem ich die Kastanien holen soll, und wie heiß es ist.«
»Na, verbrennen Sie sich bloß nicht die Finger«, fauchte Bertha ihn bissig an.
»Nicht meine Absicht«, sagte Sellers trocken.
Er lehnte sich mit der lässigen Gutmütigkeit des überlegenen Mannes, der alle Trümpfe in der Hand hat und das auch genau weiß, gegen die Wand. Sein dichtes, welliges Haar quoll unter dem Rand des aus der Stirn geschobenen Hutes hervor. »Wer von euch gurrenden Turteltauben wird mir denn nun über Mrs. Wells berichten?« fragte er.
»Das haben wir ja bereits getan«, sagte Bertha. »Warum unternehmen Sie denn nicht schleunigst entsprechende Schritte? Menschenskind, wir versuchen, Ihnen einen glühendheißen Tip zu geben, und was tun Sie? Sie schlafen erst mal in aller Ruhe eine ganze Nacht, und dann kommen Sie her, um sich zu erkundigen, was eigentlich los ist.«
»Na, na, na, Bertha, da kränken Sie aber mein Dezernat schwer. Schon eine halbe Stunde nach Erhalt Ihres Hinweises liefen wir auf vollen Touren, und doch kamen wir zu spät.«
»Was meinen Sie mit >zu spät« fragte ich ihn.
»Mr. Drury Wells«, erklärte Sellers, »ist gleich, nachdem Sie mir telefonisch den Tip gaben, in seine alte Benzinkutsche gesprungen und in einer dicken Staubwolke abgehauen. Und zurückgekommen ist er nicht. Wir haben seine Bude die ganze Nacht unter Bewachung gehalten. Als er nicht wiederauftauchte, gingen wir mit seinem Haussuchungsbefehl in die Wohnung.«
»Und was fanden Sie?«
»Nichts.«
»Was heißt bei Ihnen >nichts«
»Genau, wie ich’s sagte: nichts. Ein paar Kleidungsstücke und einen Riesenstapel von schmutzigem Geschirr als Beweis für einen schlampig geführten Haushalt. Im Garten alles voll Unkraut, eine Hacke, eine Schaufel, aber kein Fingerzeig, daß ein Teppich fehlt.«
»Kein Blut?«
»Auch nicht.«
»Woher wollen Sie wissen, daß kein Teppich fehlt?«
»Das Haus wurde möbliert abgegeben. Wir haben den Makler angerufen, der uns das Inventarverzeichnis brachte. Die Teppiche sind vorhanden wie geliefert. Nicht aber sind vorhanden Mrs. Wells und Drury Wells. Mrs. Raleigh erzählte eine imposante Mordgeschichte. Bloß dumm, daß keine Leiche da ist.« Bertha und ich wechselten Blicke.
»Also könnten Sie mir jetzt wohl mal verraten, worin Ihr Interesse an dem Fall liegt«, sagte Sellers.
»Ich wollte die vermißte Frau für einen Klienten suchen«, antwortete ich.
»Kommen Sie mir nicht mit Geheimniskrämerei. Wie heißt der Kerl, der Ihnen den Auftrag gab?«
Bertha sagte: »Das können Sie von mir erfahren, Frank. Er ist kein Klient von uns, sondern ein ganz schäbiger, falscher...«
»Klient ist er, Bertha«, unterbrach ich sie.
»Und wenn schon! Er war es, meinst du«, sagte sie.
»Es handelt sich um Mord«, ermahnte mich Sellers.
»Woher wissen Sie das, Frank?«
»Das will ich ja gerade jetzt feststellen.«
»Na, dann kommen Sie wieder her, sobald Sie ein bißchen mehr wissen«, empfahl ich ihm.
»Nein, gerade hier - und zwar sofort - will ich das feststellen.«
»Nicht bei uns, Frank. Wir haben uns schon entsprechend geäußert.«
»Ihr wißt doch, Herrschaften, daß ihr, sobald Verbrechen in Frage kommen, mit der Polizei Zusammenarbeiten müßt«, sagte Sellers.
»Der Mann für den wir Mrs. Wells suchen sollten, heißt Lawton C. Corning«, sagte Bertha.
»So ist’s schon besser. Und wo wohnt er, Bertha?«
»Hotel Dartmouth.«
»Sonst noch etwas?«
»Ja«, sagte Bertha. »Er gab uns für einen Tausenddollarjob einen Scheck über hundertfünfzig auf eine Bank in San Antonio. Ein
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