Im Mittelpunkt Yvonne
sieben bis acht Kilometer über eine Landstraße zweiter Güte, die in die Frostmore Road mündete. Ein paar Häuser vor dem Grundstück von Wells stand ein Auto. Sellers stoppte seinen Dienstwagen daneben.
»Noch da?« fragte er den Beamten in dem anderen Wagen. Der nickte stumm.
»Okay«, sagte Sellers, »Sie brauchen das Grundstück nicht mehr zu bewachen, aber bleiben Sie in der Nähe und lassen Sie Ihr Funkgerät eingeschaltet. Etwaige Instruktionen gebe ich über unsere Welle durch Funktelefon.«
Er fuhr weiter bis vor das Tor von Wells. »Kommen Sie, Donald«, sagte er.
Ich folgte ihm zur Haustür, wo er mit dem Daumen auf den Klingelknopf drückte.
Ein betörend hübsches Weib in Pullover und sehr kurzen Shorts, rothaarig und blauäugig, mit prachtvoller Figur, öffnete die Tür.
»Hallo, guten Tag«, sagte sie. »Na, was betreibt ihr Knaben? Seid ihr Werkstudenten, die Abonnenten für Zeitschriften suchen, oder wollt ihr Staubsauger vorführen? Meinen Aufzug müssen Sie schon entschuldigen, denn ich will unbedingt putzen und aufräumen. Komme nach Hause und finde das ganze Geschirr schmutzig vor und an der Badewanne einen breiten, dunklen Streifen.. Die vielbeschäftigte kleine Hausfrau, wie sie im Buche steht.«
Sellers klappte seinen Rockaufschlag um, zeigte ihr sein Messingschildchen und sagte: »Kriminalpolizei.«
»Oh - oh, was soll ich denn jetzt verbrochen haben?« rief sie aus.
»Nun, was haben Sie tatsächlich verbrochen?«
Sie sah ihn lächelnd von unten herauf an. »So ziemlich alles, was möglich ist«, sagte sie frech.
»Dann berichten Sie uns mal.«
»Wollen Sie hereinkommen oder da stehen bleiben? Ich war gerade beim Geschirrspülen, und wenn ich mich länger mit Ihnen unterhalten soll, möchte ich mir erst die Hände einkremen. Als Frau muß man seine Haut pflegen.«
»Scheint Ihnen bisher fein gelungen zu sein«, sagte Sellers.
»Gebe mir alle Mühe«, erwiderte sie. »Bitte treten Sie näher.«
Wir gingen in das Puppenhaus-Wohnzimmer. Die Wohnung roch noch nach kaltem Tabaksqualm, doch die Aschenbecher waren schon alle gesäubert, und in der Küche sah ich einen Stapel abgewaschenes Geschirr auf dem Tisch und neben dem Spülbecken noch einen Berg schmutziges. Über dem heißen Wasser im Becken wallte in Wölkchen der Dampf.
Sie summte eine kleine Melodie, während sie ins Schlafzimmer ging. Als sie zurückkam, duftete sie nach Schönheitswasser. »All right, Jungens, was habt ihr nun auf dem Herzen?« sagte sie.
»Sie sind doch Mrs. Drury Wells, ja?« fragte Sellers.
»Die bin ich.«
»Vorname?«
»Yvonne.«
»Wo sind Sie gewesen?«
»Hier und dort.«
»Wie kam es, daß Sie fortgingen?«
»Ist dies ein amtliches Verhör?«
»So dürfen Sie es nennen. Ich bekomme mein Gehalt nicht, um vormittags mit schönen, rothaarigen Frauen über versäumte Wochenenden zu plaudern.«
»Das ist jammerschade, denn das könnten Sie sicher gut«, sagte sie schnippisch.
»Stimmt, aber jetzt wollen wir hören, wo Sie sich aufgehalten haben«, sagte Sellers in dienstlichem Ton.
»Na schön«, gab sie resigniert nach. »Mein Mann hat mit mir Krach angefangen. Er ist sonst ein netter Kerl, kann aber scheußlich jähzornig werden, und ich gebe ihm vielleicht manchmal Anlaß, sich aufzuregen. Jedesmal, wenn ihn die Wut packt, bringt er den Haushalt aus den Fugen. Dann rollte er ein paar Decken zusammen, wirft sie ins Auto, fährt los und kampiert unter den Sternen. Manchmal kommt er schon nach ein paar Stunden abgekühlt zurück, und manchmal bleibt er eine ganze Woche weg. Na, nach unserem letzten Streit packte er sich wie gewöhnlich seine Decken auf die Schulter und türmte. Und diesmal kam auch ich so richtig in Rage. Ich wartete, bis er verschwunden war, und beschloß, ebenfalls zu türmen. Er sollte mich nicht vorfinden, wenn er zurückkam. Nicht mal einen Koffer habe ich mir gepackt, nahm bloß eine Zahnbürste, etwas Unterwäsche und eine Dose Hautkrem mit.«
»Wie sind Sie gereist?«
»Zu Fuß.«
»Zur Bushaltestelle?«
»Der letzte Bus war schon fort. Ich ging zum Boulevard.«
»Und dann?«
»Fuhr ich per Anhalter.«
$War das nicht gefährlich, allein mitten ,in der Nacht, eine hübsche Frau wie Sie?«
»Kommt darauf an, was Sie gefährlich nennen. Im ersten Wagen hatte der Mann seine Frau bei sich und verdrehte trotzdem so den Hals nach mir, daß er beinahe in den Graben fuhr. Aber er hielt nicht an. Im zweiten Wagen saßen zwei jüngere Männer, und der am Steuer
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