Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
sehr altem Blut, und Ihr seid die geborene Sterndeuterin. Ich hingegen habe meinen Titel nur erworben und muss mich auf das verlassen, was meine sterblichen Sinne mir sagen.
Aber unsere Vorfahren haben diese Geschöpfe Götter genannt, und sie wussten gewiss, was sie taten.«
Borijas Blick kehrte sich nach innen, so als würde er den Geräuschen lauschen, die durch den Treppenaufgang drangen. Viele blasse Geister hatten sich um den alten Mann und das Mädchen versammelt und schienen ihm zu huldigen. Der Alte verwandelte sich weiter, seine Glieder streckten sich, Klauen wuchsen ihm an den Armen, sein Mund wurde größer, und scharfe Zähne wuchsen plötzlich darin. Das Kind veränderte sich nicht. Die Geister hielten Abstand von dem Mädchen, genau wie von Swetja und Borija.
»Außerdem habe ich sie nicht freigelassen«, fuhr der Hauptmann fort. »Ihr überschätzt mich, edles Fräulein. Die Siegel des Styx sind gebrochen, eines nach dem anderen, und die stärksten der Götter sind schon vorher entkommen. Ihr habt einen von ihnen gesehen, in Wajdaka, wie er von der Königin Besitz ergriffen hat. Das geschah bereits vor vielen Monden. Jetzt stehen die Tore ganz offen, und weitere Götter können hindurch. Ich habe nur ein wenig dazu beigetragen.«
»Aber was?«, fragte Swetja. »Diese Geister hier … erst seit Ihr den Stein eingesetzt habt, sind es so viele.«
»Ist das so?«, fragte Borija mit aufrichtigem Interesse. »Nach allem, was ich weiß, können die Götter ohne jede Hilfe durch den Styx in unsere Welt eintauchen. Doch es ist mühsam für sie. Und solange die Oberfläche des Mondes in Aufruhr war, kamen sie gar nicht hindurch. Aber auch nachdem der Styx in den letzten Mondumläufen allmählich zur Ruhe kam, blieb der Übergang schwierig. Es kostet die Götter viel Kraft, eine Form anzunehmen, und sie verteilen sich überall auf der Welt und können es nicht beherrschen. Diese Maschine, die sie vor langer Zeit bauen ließen, hilft ihnen dabei, in voller Form und Kraft genau dort zu erscheinen, wo sie sich sammeln wollen. Und sie können ihre schwächeren Diener mitbringen, die den Übergang aus eigener Kraft nicht schaffen.
Ihr müsst das verstehen, dewa Swetjana. Unsere Lage war aussichtslos. Ich habe nicht so ausgeprägte Sinne wie Ihr, aber ich habe doch bemerkt, was in der Hauptstadt vorgeht, dass eine fremde Macht erschienen ist und die Menschen unter ihren Willen zwingt. Ich war dagegen gefeit, genau wie Ihr. Die alten Götter können mich nicht zwingen, sie können nicht von mir Besitz ergreifen. Aber das ist kein Segen, dewa Swetjana, es ist ein Fluch!
Ich bin den alten Göttern auf die Spur gekommen, aber ich konnte sie nicht aufhalten. Und ich bin nutzlos für sie. Sie werden alle Menschen auslöschen, die gefeit sind gegen ihre Kräfte. Versteht Ihr? Deswegen musste ich diesen Handel schließen! Ich musste nützlich werden für sie. Nur so konnte ich die Rückkehr der Götter überleben, als ihr treuer Diener. Zurückgekehrt wären sie ohnehin, und sie hätten unsere Welt in Besitz genommen. Ich habe ihren Sieg nur ein wenig leichter und weniger verlustreich gemacht und damit mein Leben erkauft.«
»Ich … verstehe.« Swetjas Stimme war belegt. »Aber warum habt Ihr mich den ganzen Weg hierher mitgenommen? Nur damit ich Zeuge Eures Verrats werde?«
»Ihr versteht es noch nicht ganz.« Borija senkte die Stimme. »Ich sollte den Fokus zu der Maschine bringen, als kleines Zeichen meiner Treue. So wurde es vereinbart, als ich den Geist entdeckte, der von Wajdaka Besitz ergriff, und er mich. Deswegen gelang uns die Flucht so leicht, deswegen konnte ich so einfach gleichgesinnte Streiter sammeln, weil die Mächte, die hinter der Königin stehen, mich in Wahrheit unterstützt haben, unseren Zug ausrüsteten und mir Steine aus dem Weg räumten. Denn ich sollte den Göttern zugleich auch ihre erste Armee zuführen, die ersten Hüllen für ihre Krieger. Dafür musste ich meine eigenen Männer opfern.«
Er wies auf Lewo, der vor der Wand stand und sich gleichfalls in ein Ungeheuer verwandelte. »Aber das war nur die Hälfte des Preises, der vereinbart worden war, damit ich mein Leben rette und eine Stellung in der Welt der Götter erhalte. Sie haben noch einen Ersatz für mich gefordert, damit sie mich gehen lassen. Denn sie wollen untersuchen, was genau die Menschen vor ihrem Einfluss schützt und wie sie diese Unreinheit beseitigen können. Und diese Veränderung, die einen Leib für sie
Weitere Kostenlose Bücher