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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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noch einmal und leuchtete in einem Rot, das keine irdische Farbe mehr war. Das furchtbare Licht ließ den Himmel erzittern, und Swetjas Augen ertrugen es nicht.
    Sie wandte sich von dem Mond ab und versuchte, nur noch das Turmgemach zu sehen. Sie bemerkte, dass die Schemen darin fester wurden!
    Die Schlieren verbanden sich zu Gestalten. Ätherisches Licht floss aus dem Rohr, zäh wie Öl, es sammelte sich zu Lachen, die in der Luft schwebten und sich zu Formen entfalteten. Vage menschenähnliche Umrisse flogen umher, bildeten sich weiter aus, während sie mit raubtierhafter Anmut durch die Halle sausten. Eine flammende Aureole umgab sie alle. Swetja zwinkerte, und bei jedem Zwinkern veränderte sich das Bild: Einmal waren die Geister da, einmal lag der Raum ganz gewöhnlich vor ihr.
    Eines der Flammenwesen kam auf Lewo zu – und tauchte in ihn ein! Der Dragoner stand im ersten Augenblick ungerührt da, dann zitterte seine Hand mit dem Säbel. Er rollte die Augen und streckte sich. Ein Stöhnen entfuhr seiner Kehle, unter seinem Gesicht bewegte sich etwas, als wäre die Haut ein zerknitterter Mantel, der über einem unförmigen Leib glatt gestrichen wurde.
    »Oh gütige … gütige Gestirne!«, stammelte Swetja.
    Immer mehr von den körperlosen Gestalten erfüllten den Raum, Glutgeister mit verzerrten Gesichtern, mit formlosen Gliedern. Einige kreisten um die Menschen, als wollten sie diese beschnuppern. Manche flogen durch die Fenster und hinaus in die Berge. Andere sausten an Swetja vorbei in das Treppenhaus. Gleich vor ihr nahm einer der Geister eine festere Form an. Das Feuer um ihn erlosch. Er war blass, Augen und Mund wie mit Kohle gezeichnet, der Körper lang gezogen wie auf der Streckbank. Er schaute zum Styx empor und hob die Hand wie zum Gruße, wie zum Abschied!
    Der Greis am Ende des Raums bewegte sich. Er blickte fassungslos drein, dann entsetzt. Jetzt fasste er seinen Stab mit beiden Händen. Er sagte etwas, das Swetja nicht verstand. Er lief in die Mitte der Halle, da traf ihn eine Geistergestalt mitten im Gesicht und verschwand darin. Der Aufprall des substanzlosen Schemens war so heftig, dass der Alte zurücktaumelte. Swetja zuckte zusammen.
    Die Geräusche aus dem Treppenhaus hinter ihr veränderten sich. Die Waffen verstummten, die Schreie erreichten eine andere Tonlage. Entsetzen, Überraschung … Swetja hörte hinter sich, was sie vor sich sah.
    Sie löste sich aus ihrer Erstarrung und lief auf Borija zu, der ungerührt in dem geisterhaften Inferno stand, das für die meisten Menschen vermutlich unsichtbar blieb.
    »Hauptmann«, rief sie. »Das läuft alles falsch! Ihr müsst den Stein wieder weg …«
    Jemand packte sie an den Oberarmen. Swetja wandte den Kopf. Anisja!
    Ein Ungeheuer hätte sie nicht heftiger erschrecken können. Die kleine Magd stand immer noch hinter ihr, aber sie war es nicht mehr. Das Weiße in ihren Augen war gelb geworden, die Iris und die Pupillen verblassten, während Swetja zusah. Der Körper der Magd verzerrte sich, aber sie lockerte nicht den Griff um Swetjas Arme. Die Finger bohrten sich in das Fleisch wie Krallen.
    »Nis!«, rief Swetja. »Du bist besessen. Da sind Geister in der Luft. Kämpfe dagegen an!«
    Gehetzt sah Swetja sich um, aber keiner der Schemen achtete auf sie. Stattdessen kam Borija langsam heran. Bedauernd schüttelte er den Kopf. »Die alten Götter kehren zurück, dewa Swetjana«, sagte er. »Was kann ein Sterblicher anderes tun als sich unterwerfen?«
    »Was habt Ihr getan, Hauptmann?«, fragte Swetja.
    »Nur das, was ich gesagt habe«, antwortete Borija. »Ich habe getan, was nötig war, um die Bedrohung abzuwenden. Allerdings nur die Gefahr für mich. Um unsere Heimat zu retten, war es schon längst zu spät. Doch indem ich tat, was die Götter von mir verlangten, konnte ich wenigstens für mich einen Platz in ihrer neuen Welt erkaufen.«
    »Götter.« Swetja schnaubte verächtlich. »Seht Ihr nicht die Kreaturen, die ihr freigelassen habt? Verderbte Geister der Hölle. Dämonen!«
    Swetja war sich des Griffs an ihren Armen nur allzu bewusst. Besorgt wandte sie noch einmal den Kopf und schaute in das Antlitz, das einst Anisja gehört hatte. Aber wenn das Wesen, das von der Magd Besitz ergriffen hatte, ihre Worte verstand und Anstoß daran nahm, so zeigte es das mit keiner Regung.
    Borija ließ den Blick durch den Raum schweifen. Er seufzte. »Es tut mir leid, dewa Swetjana. Meine Sinne sind nicht so scharf wie die Euren. Eure Familie ist von

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