Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
nich, dass solche Nächte zur Gewohnheit werden«, zischte er Gontas zu. »Ich hab dir Tori einmal überlassen, aber sie gehört zu mir. Ich werde sie niemals ziehen lassen.«
Gontas schüttelte unwillig den Kopf. »Aber du hast sie mir überlassen, für diese eine Nacht. Also hör auf, darüber zu grübeln und es mir vorzuhalten.«
»Hm.« Mart schnaubte. »Ich hab sie dir angeboten. Aber was für ein Kamerad nimmt so ein Angebot an?«
»Und was für ein Mann macht so ein Angebot, wenn er es nicht ernst meint?« Gontas gab sich keine Mühe, leise zu sprechen. »Hätte ich es ablehnen können, ohne jemanden zu beleidigen? Ich verstehe die Sitten von euch Städtern nicht.«
»Du hast es gar nicht versucht«, sagte Mart bitter.
»Es ist mir egal, was für Spiele ihr da treibt. Sie ist zu mir gekommen. Also komm klar mit deinem Hakenweib und mit deiner eigenen Klappe und lass mich in Ruhe damit. Ich weiß ja nicht mal, ob sie dein Weib ist oder deine Geliebte oder eine Waffengefährtin. Was ihr da macht, so was gibt es nicht bei den Cefron.«
»Was sie ist, he?« Mart schaute zu Tori, die ein Stück vor ihnen ging und den Weg auskundschaftete. »Sie ist, was ich aus ihr gemacht habe.« Er flüsterte wieder, und doch war der Stolz in seiner Stimme unüberhörbar. »Trotzdem steckt noch viel von dem in ihr drin, was sie früher mal war. ’ne Diebin und ’ne Gossenmusche. Man kann ihr nicht trauen, Gontas. Sie braucht straffe Zügel, sonst … wie auch immer. Wird ’n Buschmann eh nicht verstehen, wie man bei der die Fäden zieht. Lass es also, sie würd dich nur unglücklich machen.«
Gontas lachte leise. »Also, für mich hat sie sich gut genug angefühlt in dieser Nacht, als du am Feuer dein Fieber umarmt hast.«
Mart sah wütend drein.
Gontas hob beschwichtigend den Arm. »Ist schon gut. Ich will gar nicht mehr. In jedem Dorf, in jeder Stadt gibt’s genug Frauen für die Nacht, die am nächsten Morgen keinen Ärger machen. Ich will keine Frau am Zügel führen, ich habe genug Arbeit mit dem störrischen Dromedar hier.« Er hob die Faust mit der Führleine.
»Ich …« Mart schaute zu Tori hin. Sein Blick wurde weit und versonnen. »Ich will sie behalten. Ich hab sie geliebt vom ersten Moment an, als ich sie gesehen hab. Hab sie aufgefangen, als man sie mit versiegeltem Armstumpf vom Richtplatz geworfen hat – die Diebin, die sie war. So ’n junges Mädchen. Ich hab mich um sie gekümmert, bis es ihr besser ging. Hab ihr alles beigebracht, was sie heute kann.
Ich lasse nicht zu, dass sie geht.«
Die Tage verrannen, die beiden Wasserfässer wurden leer. Es hatte nicht geregnet, seitdem sie ins Steinland gekommen waren, es gab nicht einmal einen feuchten Nebelhauch in der Luft während der kalten Stunden vor der Morgenröte, keinen Tau auf den Steinen. Sie fanden weder Wasserlauf noch Quelle.
Gontas gab es schließlich auf, die Karte zu deuten, und sie wanderten geradewegs nach Norden.
Als er fern am östlichen Horizont die Berge erblickte, wusste er, dass sie auf der falschen Seite dieser Landmarke angekommen waren. Die angebliche Stadt in der Wüste, die Tarukans Söldner in Besitz genommen hatten – Kar Ombos, so hatte Mart es entziffert –, lag laut Karte östlich der Berge.
Mart beschirmte sein Auge und spähte in die Richtung, die Gontas ihm wies. »Könnt auch ’ne Luftspiegelung sein«, sagte er. »Ein Trugbild, das uns in die Irre führt. Man hört so allerhand über die Wüste.«
Tori trat zu ihnen. Sie kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und blickte angestrengt in die besagte Richtung. »Es könnten auch einfach die Berge sein«, stellte sie fest.
»Wir gehen dorthin«, entschied Gontas.
»Gehn wir im Süden drum rum?«, fragte Tori. »Oder sind wir schon zu weit im Norden und versuchen es dort?«
Gontas sah zu seinem Dromedar. »Wir gehen mitten hindurch«, sagte er. »Wir haben nicht genug Wasser für einen Umweg.«
»Der Weg über die Berge mag länger sein als der Weg außen herum«, gab Mart zu bedenken. »Wir wissen nichts über diese Gegend. Und die Karte hilft uns auch nicht weiter.«
»Vielleicht finden wir Wasser dort«, sagte Gontas. »Dann macht uns ein längerer Weg nichts aus. Mir sind die unbekannten Berge jedenfalls lieber als die Wüste, die wir kennen.«
An diesem Tag verbrachten sie die Nacht noch im freien Steinland, und am nächsten Morgen überstrahlte die Sonne die Berge vor ihnen. Die drei Wanderer marschierten mit gesenktem Haupt, die Kapuzen tief ins
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