Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
dem Felsbogen hervor, um nach ihnen zu sehen. Er spürte eine eisige Berührung in seinem Gesicht und brauchte eine Weile, bis ihm klar wurde, dass es winzige Wassertropfen waren, die seine Haut benetzten.
Im nächsten Augenblick hörte er auch schon ein Brausen vom Himmel, und der Regen prasselte ins Ta l.
Mart und Tori schrien und fluchten. Sie sprangen auf. Der schmale Felsbogen über ihnen konnte nicht als Dach dienen. Das Wasser spritzte in Fäden durch die Furchen im Stein und ergoss sich auf die Köpfe der Menschen darunter.
»Oh, verdammt, bei Amans Segen – da hast du deinen Regen!«, rief Mart.
Tori lachte, während sie ihr Gepäck zusammensuchte. »Seh schon, kannst die Leut mit deinen Reimen beglücken, wennste als blinder Bettler mal dein Auskommen suchen musst, hm, alter Kater?«
Gontas wies in die Dunkelheit. »Da drüben standen ein paar große Steinhaufen. Vielleicht finden wir dort Unterschlupf. Ist aber kein so sicherer Fleck wie hier.«
»Macht nichts«, befand Mart. »Bei dem Wetter schleicht hier eh keiner rum.«
»Weiß echt nicht, wie du so alt werden konntest, du«, warf Tori ein. »Bei so ’nem dünnen Pelz.«
Sie nahmen die Tiere mit und tasteten sich durch die Nacht. Kein Stern, kein Mond lugte hinter den Wolken hervor, und die Wassermassen verdeckten alles, was man sonst vielleicht hätte erahnen können. Zudem löschte das Rauschen und Prasseln auch jeden anderen Laut aus und ließ die drei Gefährten hilflos umherirren. Gontas fühlte sich schutzlos.
»Passt auf und bleibt zusammen«, sagte er.
Sein Raumgefühl blieb ihm erhalten, und er fand unfehlbar die Felsformation, die er im Sinn gehabt hatte. Es war eine der höheren Steinsäulen, die mit ihren Vorsprüngen, Löchern und Graten im Dämmer des Abends fast wie ein Haus ausgesehen hatte.
Darin ertasteten sie einen Spalt, der sich trocken anfühlte. Er war zu eng, als dass alle drei sich hätten hineinlegen können, und die Dromedare fanden überhaupt keinen Platz. Sie banden die Tiere draußen im Regen wieder an.
»Hilfst du mir, Gontas?«, fragte Tori. Gemeinsam spannten sie Planen auf, um das Regenwasser in die Fässer zu lenken. Zuletzt kauerten sie alle durchnässt in dem Spalt. Sie zitterten vor Kälte und lauschten dem Regen. Gontas konnte die Dromedare nicht sehen, doch er behielt die Führleinen in der Hand. So dämmerten sie vor sich hin und warteten auf den Morgen.
Nach einigen Stunden hörte der Regen auf, der Himmel wurde klarer. Doch das Rauschen, Tropfen und Plätschern im Tal verstummte nicht. Dann fegte ein Wind durch die Felsen, und überall aus den Senken stiegen weiße Nebelfahnen auf. Einen Moment lang tanzten sie vor den Augen der drei Wanderer wie Geister, dann flossen sie zusammen.
Augenblicke später wogte der Nebel dicht und grau, und sie erahnten das Licht des heranbrechenden Morgens mehr, als dass sie es sahen. Die Umrisse der nahen Felsen wirkten wieder fremd und bedrohlich, und zwischen den wogenden Schwaden schien es gar so, als bewegten sie sich.
»Hm, pass auf, Mart – deine Jammer kommen dich holen!«, frotzelte Tori.
»Jammer?«, fragte Gontas.
»So nennen manche Söldner die Geister der Toten, die klagend über das Schlachtfeld ziehen«, erklärte Mart. »Schwachsinn.«
Er quälte sich wieder in seine Rüstung, und das ging in der engen Spalte nicht ohne Rempeleien ab. Gontas stand am Ausgang und spähte in den Nebel. »Geister«, sagte er. »Das gefällt mir nicht.«
Der Wind pfiff ein hohles Lied auf den Felsen des Tals, aber er zerriss den Nebel nicht. Das tropfende Wasser klang so dumpf wie Schritte.
»Können wir aufbrechen, du, bei dem Wetter?«, fragte Tori.
»Weiß nicht«, antwortete Gontas. »Wir könnten den richtigen Abzweig übersehen. Aber hier will ich nicht bleiben.«
»Na, ich geh nicht ohne Frühstück«, sagte Mart. »Scheiße, dass wir kein Feuer haben. Aber wenn wir mit dem Essen fertig sind, ist der verfluchte Morgennebel vielleicht davongeflogen.«
»Ich schau nach den Viechern«, sagte Tori. »Und nach ’n Fässern.«
An den Führleinen tastete sie sich in den Dunst hinaus. Fünf Schritte entfernt hielt sie inne, dort, wo sich die Umrisse der Dromedare noch blass durch den Nebel abzeichneten. Sie verharrte, und etwas an ihrer Haltung brachte Gontas dazu, seine Waffen zu ziehen.
Im Nu war Mart an seiner Seite.
Tori stieß einen unterdrückten Schrei aus.
Gontas und Mart sprangen zu ihr. Gontas holte zum Schlag aus – und dann sah er, wovor Tori
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