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Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Titel: Im Mondlicht (Phobos) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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Stadium der Verwesung befand. Jetzt wurden ihre Bewegungen langsamer. Sirene und Lautsprecher verstummten. Die Scheinwerfer verloren ihre Taghelligkeit. Hinter den fünf Schreckensgestalten begann sich etwas zu regen, langsam und gleitend. Und von dieser Bewegung ging etwas noch Bösartigeres aus, als von dem schnellen Tanz der lebendigen Leichen. Ein Schlag ertönte, so laut, so stark, dass er mitten in Mikeys Kopf zu platzen schien.
    Schlag... Stille... Schlag... Stille... Schlag... Stille...
    Das Gleitende drängte sich in den Vordergrund. Auf einer runden , fahrbaren Plattform saß ein kleiner, alter Mann.
    Bestimmt war er sehr alt; denn seine Haut sah aus wie die von Inge , der Frau von Nachbar Tom, wenn sie wieder die ganze Nacht gesoffen hatte und in ihrem dunstigen Kopf das Makeup dutzende Male erneuert hatte. Wenn dieser Alte lachte, würde der Putz bestimmt auf die Straße fallen. Aber diese Gefahr schien im Augenblick nicht zu bestehen. Der Alte lachte nicht.
    "Willkommen in SENEXCITY!" , begrüßte ihn der Alte mit sehr hoher Stimme. "Wie zum Teufel bist du durch den Laserzaun gekommen? John!" Er rief jemanden, den Mikey nicht sehen konnte. "John! Prüfe die Laser am Wald noch mal durch. Hier ist doch so eine kleine Ratte mitten im Ort gelandet. Ein Kind! "
    Schlag... Stille... Schlag... Stille... Schlag... Stille...
    Er sprach dieses Wort Kind aus, als bedeute es ekligen Abfall oder die Pest. Mikey war sprachlos. Er wusste nicht genau, was Laser waren, aber in den Filmen, in denen sie eine Rolle spielten, lösten sich die Getroffenen immer in blauen Dunst auf. In ihm wurde das Wort wach, das er sich an der Autofalle nicht zu denken getraut hatte: Menschenfalle! Es begann zu schneien.
    Schlag... Stille... Schlag... Stille... Schlag... Stille...
    "Ich bin der Sheriff hier", vertraute der Alte Mikey an. "Und wir mögen hier keine kleinen Kinder. Wir mögen auch keine großen Kinder. Wir lassen hier nichts Junges rein. Deshalb ist hier auch alles so toll in Ordnung."
    Schlag... Stille... Schlag... Stille... Schlag... Stille...
    Mikey verstand auch das nicht. Sein Denken hatte zum größten Teil ausgesetzt.
    "Komm schon, Kleiner!", drängte ihn der Alte. "Die anderen warten schon." Mit knöcherner Hand zog er Mikey auf das Podest. Es setzte sich in Bewegung und sie begannen durch SENEXCITY zu gleiten.
    Schlag... Stille... Schlag... Stille...
    Vorbei ging es an Ge bäuden, die Mikey aus Wild West-Filmen kannte. Buntflackernde Beleuchtungsstreifen auf der Straße täuschten Leben vor. Der Wind pfiff um die Ecken und trieb Schneewolken und Buschknäuel vor sich her. Menschen sah Mikey nicht. Sie kurvten und kurvten durch den Ort, der so toll in Ordnung war.
    Schlag... Stille... Schlag... Stille... Schlag... Stille...
    Unaufhörlich erzählte die hohe Stimme des Alten von früher überfüllten Gefängnissen, von Mord und Totschlag, von schlimmen Umtrieben und unzüchtigen Exzessen, bis eines Tages die Alten in die Stadt gekommen waren. Sie hatten die Todesstrafe wieder eingeführt und die Todesschusserlaubnis für den Sheriff. Schon bald darauf begannen die jungen Leute die Stadt zu verlassen. Die Alten zogen die Laserzäune und aktivierten die Autofallen in der Nacht. Nach außen tarnten sie das ganze als SSK: Selbstverwaltetes Senioren-Kollektiv. Und weil die Kriminalitätsrate auf Null gefallen war, hatte sie auch der County-Sheriff in Ruhe gelassen. Schließlich wollte er ja auch ihre Wählerstimmen haben, dieser Schlappschwanz! Der Alte kicherte.
    Schlag... Stille... Schlag... Stille... Schlag... Stille...
    "Was klatscht da eigentlich immer so?" , fragte Mikey.
    "Ach das!" , kicherte der Alte. "Das ist Potter. Wir haben Mikrophone in seiner Metzgerei aufgestellt. Der alte Potter klopft Koteletts. Hört sich recht eindrucksvoll an, was?"
    "Es ist so laut", quengelte Mikey und versuchte seine Hand aus der eiskalten Klaue des Alten zu ziehen. Vergeblich.
    Die Plattform hielt an.
    "Das ist der Saloon", sagte der Alte. Und tatsächlich sahen die Schwingtüren und die Bel euchtung vor ihnen genauso aus wie vor langer Zeit. Lautes Stimmengewirr drang auf die Straße.
    Schlag... Stille... Schlag... Stille... Schlag... Stille...
    Der Alte fuhr auf die Schwingtür zu. Die Flügel wurden von der mobilen Plattform aufgedrückt. Der Alte durchquerte den großen Raum bis zur Theke. Alte Männer und Frauen saßen vor Gläsern mit Bier, Whisky und Likör. Mikey konnte die Zahl der Tische nicht feststellen. Sie verloren sich

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