Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)
entsetzlicher Gestank den Saloon zu erfüllen. Der Alte begann zu fluchen und ließ Mikeys Arm los. Immer mehr Tiere drangen ein. Mikey stellte sich neben die Plattform, fasste sie mit seinen Kinderhänden und zog sie hoch. Sie war viel leichter, als er gedacht hatte. Aber vielleicht war er auch viel wütender, als er gedacht hatte. Der Alte verlor sein Gleichgewicht, rutschte von seinem Podest, stolperte und fiel auf die Holzdielen, direkt neben die Stelle, an der der Fremde im Boden versunken war. Er wurde sofort von mehreren Paaren weißer Flügel bedeckt. Mikey blickte auf die wogende, weiße Masse vor dem blubbernden Teer. Er griff sich eine der gläsernen Petroleumlampen auf der Theke und warf sie auf die Holzdielen, wo sie sofort zersprang und brennendes Petroleum über den Teer verströmte. Mikey rannte los. Eine schwere Explosion drückte ihn durch die Schwingtür auf die eiskalte Straße. Mikey lief noch ein paar Schritte weiter. Dann sah er sich um. Der Saloon stand in hellen Flammen. Gierig griffen sie auf die nächsten Häuser über. Mikey rannte die Straße entlang in die Richtung, aus der er meinte, gekommen zu sein.
Schon von weitem sah er die rotblauen Signallichter des Polizeifahrzeuges, das in die Autofalle geraten war. Nur die Tatsache, dass schon zwei Wagen unter ihm lagen, hatte dem Sheriff das Leben gerettet. Der County-Sheriff kam auf Mikey zu gerannt.
Das Werk "Kalkofen" ist eine riesige Bunkeranlage, ein Teil der ehemaligen Maginotlinie. Auf Antrag des franz. Kriegsministers André Maginot wurde sie 1930 geplant und gebaut. Sie stellt eine Verteidigungslinie dar, die von der Nordsee bis zum Mittelmeer reicht. Rückgrat dieser Linie bildeten die sogenannten Grosswerke. Es handelte sich um Bunker, die über eigene Geschützanlagen verfügten. Ihre Wände waren zwischen 1,20 und 0,80 Meter dick, die Gänge teilweise kilometerlang. Eines von diesen "unterirdischen Schlachtschiffen" ist die heute noch zu besichtigende Anlage in Kalkofen. (Information aus: Ligne Maginot, Ouvrage du "Four à Chaux", 1983 Lembach)
Stille
Seit meinem Unfall bin ich so gut jeden Tag in diesem Café in Drachenburg. Da wird viel Billard gespielt, und ich finde das Klicken der Kugeln so beruhigend. Außerdem kenne ich die Wirtin Joan gut, sehr gut. Ich schreibe Ihnen die Geschichte von Georg auf, weil ich sie loswerden muss. Seit er sie mir erzählt hat und ich dummerweise zuhörte, schlafe ich nicht mehr so gut. Vielleicht schlafe ich dann wieder besser.
Es war am 13. Dezember gegen 12.00 Uhr. Draußen krachte die Kälte. Alle Fenster waren mit Eisblumen verziert. Plötzlich saß Georg an meinem Tisch. Ich hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen. Sehr lange. Wie immer war ich um diese Zeit der letzte Gast im Raum gewesen. Jetzt waren wir also zu zweit. Georg sah so abgerissen aus, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Er ist Berufsmusiker und hatte schon Auftritte im Fernsehen. Ich glaube nicht, dass es irgendein Instrument gibt, dem er nicht passable Töne entlocken kann. Er hat Familie, Geld. Und jetzt saß er da vor mir und sah aus wie aus dem Klo gezogen: Sehr ungesund.
"Kannst du mir einen Pernod bezahlen?" , sprach er mich an. Seine Stimme klang rasselnd, wie ein kaputter Diesel.
Ic h winkte Joan, und sie brachte drei Pernod. Sie setzte sich zu uns.
Georg sah mich mit blutunterlaufenen Augen an: "Ich muss es dir erzählen", rasselte er. Meine Fragen, mein Erstaunen, mein Erschrecken konnte er in meinen Augen lesen. Wir kannten uns gut.
"Ich höre dir zu", sagte ich. "Willst du nicht erst was essen?"
Das beachtete er gar nicht, Joan auch nicht.
Er begann zu erzählen: "Seit zwei Jahren hatte ich nichts neues mehr komponiert. Und irgendwie, ich weiß nicht wie, sagte mir eine innere Stimme: Du musst erst die große Stille finden, dann kannst du wieder gute neue Töne machen. Und wo gibt es schon so eine schöne Stille wie in dem großen Werk: Kalkofen. Es zog mich an wie eine Kerze den Nachtfalter."
"Nachts?" , fragte ich ungläubig. Nichts, wirklich gar nichts würde mich in der Nacht in dieses unterirdische Labyrinth bringen können. Vielleicht muss man schon so eitel sein wie ein Musiker, dem die Inspirationen ausgehen, um so einen nächtlichen Ausflug zu wagen.
"Natürlich nachts !", versetzte Georg. " Tagsüber sind ja die Führungen. Aber nachts ist es ruhig. Kein Mensch kann dich dann stören."
"Beruhigend !", warf ich ein und zwinkerte Joan zu. Aber sie schüttelte für Georg unmerklich
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