Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)
auslöschte: "Möchtest du etwas ganz Unvergessliches erleben? Möchtest du den Megaorgasmus haben, der dich in den siebten Himmel führt? Esthelle spürte, wie ihre Knie weich wurden und ein heißes Kribbeln ihren Unterleib durchzog. Und auch ein bisschen Angst war dabei. Sie nickte leicht, fast schüchtern. Der Mann holte hinter seinem Rücken ein rotes Seidentuch hervor, schlang es ihr um den Kopf und verband ihr die Augen. Er trat hinter sie und flüsterte: "Damit du nicht siehst, wie die große Zärtlichkeit auf dich zukommt."
Esthelle hörte es hinter sich rascheln. Dann spürte sie, wie er ihre Hände vor dem Bauch übereinander legte und mit einer weichen Kordel lose fesselte. Er flüsterte: "Damit du dich nicht wehren kannst, wenn die große Zärtlichkeit über dich kommt."
Plötzlich riss er ihr die Hände über den Kopf und versuchte sie am Bettrahmen festzubinden.
Jetzt kribbelte nichts mehr in Esthelle wohlig. Dafür stieg eine ungeheure Wut in ihr auf. Das war kein lockerer, spontaner Typ. Das war von allen Zwanghaften, die sie kannte, der Zwanghafteste. Er versuchte mit ihr das Gleiche wie Gerritmen! Er versuchte sie zu binden, sie hilflos zu machen, kontrollierbar. Sie riss mit einem Ruck ihre Hände los. Aaden hatte die Kordel zu schwach angezogen. Esthelle bekam ihre Hände frei und fuhr sich über das Gesicht. Das Tuch verrutschte nach oben. Sie konnte wieder sehen. Aaden knurrte und kam um das Bett herum. Das hätte er besser nicht getan, denn Esthelle hatte sich blitzschnell gespannt wie eine Sprungfeder. Die ließ sie mit ihrer gesamten Wutenergie über die Beine los wie ein Katapult. Sie traf mit beiden Füßen in seine Bauchmitte, versetzte ihm damit einen Schlag auf den Solar Plexus. Aaden ging in die Knie. Ihm war schwindelig, und er bekam kaum Luft. Esthelle machte eine Rolle rückwärts, und schon war sie auf der anderen Seite aus dem Bett heraus und rannte in die Küche. Esthelle schäumte, aber kein Laut kam ihr über die Lippen. Wie sie diese Art von Männern satt hatte, die so klein waren, so erbärmlich, dass ihnen jedes Mittel recht war, um eine Frau zu erniedrigen. Sie waren nicht schlauer oder irgendwie besser, als die Frauen. Nur brutaler und hinterhältiger.
Aaden wurde jetzt auch wütend, obwohl darunter auch eine gute Portion Angst mitschwang. Er war auf eine Frau gestoßen, die sich wehrte, die nicht starr vor Angst war! Aaden war überrascht, benommen. Eine Frau, die nicht in sein Beuteschema passte. Er musste jetzt erst einmal diesen Treffer verdauen, der seinen Atem zum Stocken und ihm eine gehörige Portion Übelkeit verschafft hatte. Er kam etwas unsicher auf die Beine, schnappte sich ein scharfes Skalpell aus seinem Koffer, den er in humoriger Stimmung im inneren Monolog gerne als "Bereitschaftskoffer" bezeichnete. Er wankte auf die Küchentür zu, durchquerte sie und wurde sofort von mehreren Messerstichen böse in Hals und Brust getroffen. Es kam ihm so ungerecht vor. Er hätte es sein müssen, der Messerstiche verteilte. Er hatte es geahnt. Sie wollte seinen Plan zerstören. Spätestens als seine Beine unter ihm nachgaben, wusste er, dass ihr das gelungen war. Er starb keinen schönen Tod.
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12. September gegen 8.00 Uhr
Für alle, die wie Gerd beim Frühstück gerne Zeitung lesen, waren drei Polizeiberichte zu lesen.
Der 51jährige Lektor Günter G. war mit einem großen Polizeiaufgebot überwältigt worden, nachdem er drei seiner vier Kinder in seinem Haus in Geldern erschossen hatte, dann nach Walbeck gerast war und in der Gaststätte: "Zum goldenen Schwan" wahllos auf die Gäste gesc hossen hatte, wobei er mehrere teilweise schwer verletzte.
Trotz der Anonymisierung des Namens wusste Gerd sofort, um wen es bei Günter G. ging.
Die 49jährige Studienrätin Esthelle G., die Frau des oben genannten Günter G., hatte noch in der Nacht die Polizei alarmiert. Sie hatte in Notwehr mit mehreren Messerstichen Dieter Aaden in ihrem Wochenendhaus getötet. Aaden war der Polizei schon einmal wegen der Belästigung von Frauen aufgefallen. Aber er war noch nie angeklagt worden. Auch Esthelle G. konnte Gerd sofort zuordnen. Er freute sich, dass sie gleich zwei verrückte Männer überlebt hatte.
Ob er sie belästigt habe, war Esthelle noch in der Nacht polizeilich befragt worden, berichtete die Zeitung detaillierter. Nein, er habe versucht, sie umzubringen! Er habe sie vor dem "Goldenen Schwan" abgepasst, wo sie ihm zum ersten Mal in ihrem Leben begegnet
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